Notfallgesetzgebung sichert Handlungsfähigkeiten deutscher Gesellschaften

Die rasante Verbreitung des Corona-Virus hat auch in Deutschland dafür gesorgt, dass die Regierung drastische Maßnahmen zur Beschränkung von sozialen Kontakten ergriffen hat. Aus diesem Grund sehen sich Unternehmen verschiedener Rechtsformen in der Krisensituation mit der Aufgabe konfrontiert, trotz bestehender Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeit erforderliche Beschlüsse zu fassen und damit handlungsfähig zu bleiben.
Auf die Herausforderung hat der deutsche Gesetzgeber reagiert. Er hat ein Notfallgesetz „zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ verabschiedet, bei dem die wesentlichen Änderungen im Bereich des Gesellschaftsrechts die Gewährleistung von Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Gesellschaften zum Ziel haben.

I. Digitale Hauptversammlung
Anders als nach bisher geltendem Recht muss eine Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (AG), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und einer Europäischen Gesellschaft (SE) im Geltungszeitraum des Notfallgesetzes nicht zwingend als Präsenzversammlung mit physischer Teilnahme eines jeden Aktionärs stattfinden. Vielmehr kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung durch die Satzung die Entscheidung treffen, dass die Hauptversammlung als „virtuelle Hauptversammlung“ online abgehalten wird. Zudem wird die Mindesteinberufungsfrist für eine Hauptversammlung auf 21 anstatt bisher 30 Tage verkürzt. Die Regelungen finden ihre Gültigkeit sowohl für die ordentliche Jahreshauptversammlung als auch für etwaige außerordentliche Hauptversammlungen. In diesem Zusammenhang enthält das Notfallgesetz Regelungen zur Modifizierung des Fragerechts und des Rechts zur Erhebung von Widersprüchen in diesen Hauptversammlungen, um der fehlenden physischen Präsenz der Aktionäre Rechnung zu tragen.
Ferner ermächtigt das Notfallgesetz den Vorstand, Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre vorzunehmen.
Zwar bedürfen die vorstehenden Maßnahmen weiterhin der Zustimmung des Aufsichtsrats; die erforderliche Zustimmung kann jedoch nunmehr ebenfalls ohne physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder schriftlich oder telefonisch erteilt werden.

II. Erleichterte Bedingungen für die Beschlussfassung
Auch bei einer GmbH dürfte es aufgrund der aktuellen Entwicklungen vermehrt notwendig sein, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsgang gehören und daher die Zustimmung der Gesellschafter erfordern.
In der Satzung einer GmbH wird regelmäßig festgehalten, auf welche Weise Gesellschafterbeschlüsse außerhalb einer Gesellschafterversammlung zustande kommen können. Für den Fall, dass eine derartige Satzungsregelung nicht besteht, eröffnet §?48?GmbHG die Möglichkeit von schriftlichen Gesellschafterbeschlüssen lediglich dann, wenn sich alle Gesellschafter mit diesem Verfahren einverstanden erklären, oder wenn diese sich an der Abstimmung beteiligen. Das Notfallgesetz bietet nun die Möglichkeit, Beschlüsse der Gesellschafter abweichend von § 48 GmbHG außerhalb von Versammlungen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter in Textform zu fassen.

III. Verlängerte Frist im Umwandlungsrecht
Um umwandlungswilligen Gesellschaften mehr Zeit zu verschaffen, hat der Gesetzgeber die Frist zur Vorlage einer Bilanz, die nach dem Umwandlungsgesetz bei der Anmeldung eines Umwandlungsvorgangs dem Handelsregister vorzulegen ist, von acht Monaten auf zwölf Monate verlängert. Mit anderen Worten: die Gesellschaft darf für die Anmeldung auf eine Schlussbilanz zugreifen, die bis zu zwölf Monate alt ist. Dies wird insbesondere den Gesellschaften Erleichterung verschaffen, die für geplante Umwandlungsmaßnahmen noch auf die Bilanz des Geschäftsjahres 2019 zurückgreifen wollen. Macht eine Gesellschaft von dieser verlängerten umwandlungsrechtlichen Frist Gebrauch, ist jedoch stets auch das Umwandlungssteuerrecht im Auge zu behalten, da es eine entsprechende Regelung dort (noch) nicht gibt.

Stand: 01.04.2020
Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechtslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.