Wettbewerbsrecht in Zeiten der Corona-Krise

I. Unlauteres Handeln von Mitbewerbern

Auch in der derzeitigen Krisensituation wollen sich Mitbewerber zum Teil Vorteile verschaffen, indem sie gegen die bestehenden Allgemeinverfügungen verstoßen.

Küchenstudios schließen zwar offiziell ihre Ladengeschäfte, laden die Kunden aber per Aushang und online dazu ein, einen persönlichen Termin mit ihrem Kundenberater vor Ort zu vereinbaren, zu dem der Berater den Kunden dann doch in die Verkaufsräume lässt.

Lebensmittelketten bieten plötzlich zusätzlich nicht nur Waren für die Grundversorgung wie Lebensmittel, Futtermittel oder Drogerieartikel an, sondern auch Waren aus anderen Branchen, die laut Verordnung ihre Verkaufsstätten nicht geöffnet haben dürfen, wie z.B. Elektrogeräte, Geschirr, Spielwaren etc.

In erster Linie sind Verstöße gegen die bestehenden Verordnungen und Allgemeinverfügungen ordnungsrechtlich zu ahnden. Die Ordnungsbehörden handeln allerdings häufig nicht schnell genug, um das angreifbare Verhalten der Mitbewerber zügig zu unterbinden. Diejenigen Unternehmer, die sich ordnungsgemäß verhalten, wollen daher im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen ihre Mitbewerber Unterlassungsansprüche geltend machen und später auch Schadenersatzansprüche.

II. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche

1. Umgehung des Ladenöffnungsverbotes

Nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) handelt derjenige unlauter, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch das Marktverhalten regelt und der Verstoß u.a. die Interessen von Mitbewerbern spürbar beeinträchtigen kann.

In den meisten Bundesländern sind auf der Grundlage von fachaufsichtlichen Weisungen der Ministerien Allgemeinverfügungen erlassen worden, die anordnen, die „Verkaufsstellen des Einzelhandels“ zu schließen. Zum Teil (z.B. in der Allgemeinverfügung in Niedersachsen) wird konkreter davon gesprochen, dass es notwendig sei „… den Betrieb dieser Geschäfte und Einrichtungen gänzlich zu untersagen“. Zumindest die Formulierung „gänzlich zu untersagen“ dürfte jede Art von Kundenkontakt untersagen.

Nach dem Infektionsschutzgesetz, auf dessen Grundlage die Allgemeinverfügungen erlassen worden sind, sollen aber nur größere Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränkt oder verboten werden. Dies lässt einen gewissen Auslegungsspielraum für die Fälle persönlicher Kundenberatungen in kleinen Gruppen offen.

Darüber hinaus werden Verwaltungsakte in Form der hier relevanten Allgemeinverfügungen nach der Rechtsprechung nicht als gesetzliche Regelung im Sinne von § 3a UWG angesehen. Denn diese seien nur vom Staat durchzusetzen und lassen daher keine zivil- oder wettbewerbsrechtlichen Ansprüche entstehen, die Wettbewerber verfolgen können. Dies gilt nur dann nicht, wenn mit dem Verwaltungsakt die gesetzlichen Regelungen dem Wortlaut nach einfach nur wiedergegeben werden. Dies ist z.B. bei einem Erlass der Kartellbehörde in der Regel der Fall. Die hier relevanten Allgemeinverfügungen enthalten aber alle einen anderen eigenen Wortlaut, so dass aus diesen wohl keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche hergeleitet werden können.

2. Verkauf von Waren aus anderen Branchen

Die Allgemeinverfügungen enthalten nicht das Verbot, bestimmte Waren anbieten zu dürfen, sondern nur das Betreten der hiervon betroffenen Ladengeschäfte.

Es ist auch fraglich, ob der Verkauf branchenfremder Waren z.B. durch Lebensmittelhändler bereits einen unlauteren Behinderungswettbewerb darstellt. Denn die Schwelle zu einer nicht mehr hinnehmbaren Behinderung ist erst dann überschritten, wenn das betreffende Verhalten in erster Linie gerade auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers abzielt und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs.

Insoweit könnte allerdings die Generalklausel von § 3 UWG greifen, der zufolge geschäftliche Handlungen angreifbar sind, die nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher wesentlich zu beeinflussen.

In diesem Fall können nicht nur mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung im Eilverfahren Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, sondern auch im Hauptsacheverfahren später noch Auskunfts- und Schadenersatzansprüche.

III. Empfohlenes Vorgehen - Ausblick

Die Rechtslage ist zwar in den hier erwähnten Fragestellungen wettbewerbsrechtlich nicht eindeutig. Zumindest in den Fällen, in denen branchenfremde Waren veräußert werden, könnte aber ein Einschreiten gegen dieses Vorgehen in Betracht kommen. Denn Sinn und Zweck der Allgemeinverfügungen ist es, nur eine Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte zuzulassen, die Waren des täglichen Lebens anbieten. Da das UWG auch ein geregeltes Miteinander der Marktteilnehmer sicherstellen soll, dürfte in diesen Krisenzeiten eine durchaus eine Chance bestehen, im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen bestimmte Verstöße vorzugehen.

Es ist daher empfehlenswert, im ersten Schritt eine Abmahnung mit einer kurzen Frist vorzunehmen und sodann den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen.

Im Übrigen wäre es wünschenswert, wenn die Ministerien diesbezüglich weitere fachaufsichtliche Weisungen als Grundlage für Allgemeinverfügungen erlassen, und damit die entsprechenden Verbote weiter konkretisieren.

Stand: 06.04.2020

Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechtslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.

 

Ansprechpartner
Viola Rust-Sorge
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