Vorläufiges Ende der grundsätzlichen Quarantänepflicht für nach Niedersachsen Einreisende

Mit einer bahnbrechenden Entscheidung hat das OVG Niedersachsen die generelle Quarantänepflicht für aus dem Ausland Einreisende einstweilen außer Vollzug gesetzt (Beschluss vom 11.05.2020, AZ 13 MN 143/20).

Gegenstand des Verfahrens war ein Normenkontroll-Eilantrag eines Antragstellers, der ein Ferienhaus in Südschweden besitzt. Er legte dar, dass die rechtlichen Anforderungen, welche das Infektionsschutzgesetz für die Anordnung einer Quarantäne stelle, auch bei einer typisierten Betrachtungsweise nicht durch alle Rückkehrer aus dem Ausland erfüllt werden. Insoweit sei die generelle Quarantänepflicht gemäß § 5 der Verordnung des Landes Niedersachsen vom 9. April 2020 unzulässig.

Der Senat hat sich dieser Auffassung angeschlossen: Der maßgebliche § 32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verweist auf die Voraussetzungen für den Erlass von Einzelmaßnahmen nach den §§ 28-31 IfSG. Danach dürfen nur gegenüber Personen mit bestimmten Krankheitssymptomen, Krankheitsverdächtigen, Ausscheidern oder Ansteckungsverdächtigen Quarantänemaßnahmen ergriffen werden.

Im Verhältnis zur Weltbevölkerung und auch unter Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer können aus dem Ausland Einreisende nicht pauschal als verdächtig angesehen werden. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss vielmehr eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Betroffene Krankheitserreger in sich trägt als dass er gesund ist. Hiervon kann gegenwärtig nicht bei Einreise aus jeglichen Ländern ausgegangen werden. Es ist insoweit Aufgabe des Gesetzgebers, eine hinreichende Differenzierung zu treffen und nicht die Freiheit jeglicher Einreisenden durch die Quarantänemaßnahme in hohem Umfang zu beschränken. Diesem kann der Antragsgegner z. B. durch Bestimmung von Risikogebieten nachkommen. Er kann Einreisende auch verpflichten, eine Meldung bei der zuständigen Infektionsschutzbehörde zu erstatten. Die Infektionsschutzbehörde kann dann im Einzelfall erforderliche Maßnahmen, wie z.B. auch die Verhängung einer Quarantäne, beschließen.

Da der Beschluss unanfechtbar ist, sind vom Ausland nach Niedersachsen Einreisende bis auf weiteres von der grundsätzlichen Quarantänepflicht befreit. Es ist davon auszugehen, dass der Beschluss des OVG Niedersachsen auch deutschlandweit Auswirkungen haben wird, da die generelle Quarantänepflicht, wie sie mit der Verordnung des Landes Niedersachsen vom 9. April 2020 bestimmt wurde, auch in den Verordnungen der anderen Länder so vorgesehen ist. Entsprechend müssen die Verordnungen angepasst werden oder aber das Infektionsschutzgesetz geändert werden, wie es schon vielfach gefordert wurde. Es bleibt aber fraglich, ob eine hierfür erforderliche Grundrechtsabwägung der Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Gesundheitsschutz zugunsten des Letzteren ausfällt und derart weitreiche Maßnahmen rechtfertigt.

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Dr. Karolin Nelles
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