Insolvenzantrag in der Coronakrise

I. Welche Änderungen ergeben sich?
Im Zeichen der gesetzlichen und faktischen Einschränkungen zum Zweck der Eindämmung der COVID-19-Pandemie erleiden viele Wirtschaftsunternehmen dramatische Umsatzeinbrüche bis hin zu gänzlichen Umsatzausfällen. Für viele Unternehmen führt dies geradewegs in eine Insolvenzantragspflicht. Um den diesen Unternehmen hier Erleichterung zu verschaffen und deren Überleben zu gewährleisten, versucht der Gesetzgeber diese Situation abzufedern.

Nach einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 16. März 2020 soll die grundsätzlich bestehende Insolvenzantragspflicht von drei Wochen zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden. Mit dieser Maßnahme soll der Pressemitteilung entsprechend vermieden werden, „dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden können“. Voraussetzung hierfür ist aber, „dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen“.

II. Was bedeutet die Aussetzung für die Praxis?
Die Annahme, dass die geplante Aussetzung der Insolvenzantragfrist als Freibrief für die Fortsetzung insolvenzreifer Unternehmen zu verstehen ist, stellt nach unserer Überzeugung ein fatales Missverständnis dar. Die (geplante) Gesetzesänderung führt vielmehr zu einer ganzen Reihe von Fragen, die ausschließlich für jeden Einzelfall geklärt werden können.

  • Zunächst darf die (geplante) Gesetzesänderung nicht als generelle Absolution von Insolvenzantragspflichten verstanden werden, auch wenn diese Auffassung schon jetzt verbreitet anzutreffen ist.
  • Ein Unternehmen, welches bereits vor der Coronakrise insolvenzreif war oder welches schon jetzt absehbar nach der Bewältigung der Pandemie nicht erfolgreich fortgeführt werden kann, muss einen Insolvenzantrag stellen. Im Einzelfall kann hier über ein Verfahren in Eigenverwaltung oder ein Planverfahren nachgedacht werden.
  • Unklar bleibt eine ordnungsgemäße Geschäftsführung in der Schwebezeit bis zur Ausreichung der beantragten Mittel oder bis zum Erfolg der Finanzierung- oder Sanierungsverhandlungen. Trotz Kenntnis der Illiquidität erscheint die Fortführung eines „Business as usual“ als kaum ratsam.
  • Offen sind die Pflichten des Geschäftsführers nach Versagung bestimmter oder aller beantragter Mittel. Hier ist von einer unmittelbaren Insolvenzantragspflicht auszugehen. Dasselbe gilt für das Scheitern von Finanzierungs- und Sanierungsverhandlungen.
  • Zudem hat der Geschäftsleiter zu überprüfen, ob die gewährten bzw. beantragten Mittel ausreichen, wenn sich die Krise verlängert. Hierzu sind entsprech-ende Überwachungsinstrumentarien zu implementieren.

Stand: 201.04.2020
Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechtslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.

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Dr. Johannes Thoma
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