Corona macht´s möglich: Flexibler Arbeitnehmer-Tausch

In einigen Branchen wie Lebensmittelproduktion, -handel und -logistik brummt es derzeit. Bei anderen herrscht Totenstille, etwa im Gast- und Hotelgewerbe oder bei Automobilzulieferern. Da liegt es nahe, wenn sich daraus „Personalpartnerschaften“ entwickeln dergestalt, dass ein Unternehmen dem anderen ganze Abteilungen zur Verfügung stellt, zumal wenn die geforderten Qualifikationen z. B. im Umgang mit Lebensmitteln, Gesundheitszeugnisse, Stapler- oder LKW-Führerscheine vorhanden sind. Aber Obacht: Der Sache nach handelt es sich rechtlich klar um Arbeitnehmerüberlassung, die in Deutschland das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) regelt. Das AÜG steckt voller straf- und arbeitsrechtlicher Fallstricke. Insbesondere erfordert normalerweise die Arbeitnehmerüberlassung eine entsprechende Erlaubnis, die nicht so einfach von den Arbeitsbehörden zu erhalten ist. Im AÜG gibt es nun zwei Sonderregelungen, die eine solche Arbeitnehmerüberlassung aus der Not heraus deutlich erleichtern können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat zu einer dieser Regelungen eine erstaunlich wirtschaftsfreundliche Auslegung auf seiner Website (www.bmas.de) vertreten. Es lohnt sich näher hinzuschauen:

1. Die große Lösung (§ 1 Absatz 3 Nr. 2a AÜG)

Danach sind die Regelungen des AÜG schon gar nicht anwendbar bei Gestaltungen zwischen Arbeitgebern, wenn die Überlassung nur gelegentlich erfolgt und der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt oder beschäftigt wird. Was heißt nun „gelegentlich“? Eigentlich klingt dies ja nach einer sehr eng begrenzten Ausnahmeregel. Nach Auffassung des BMAS liegt diese Ausnahme aber in den aktuellen Bedarfsfällen grundsätzlich vor. Ausreichend sei, dass durch die aktuelle Krisensituation ein unvorhergesehener Personalengpass beim Entleiher oder Arbeitsausfall beim Verleiher eingetreten sein muss – das lässt sich gewiss leicht argumentieren oder belegen. Weiterhin müsse die einzelne Überlassung zeitlich begrenzt auf die aktuelle Krisensituation erfolgen. Aber auch das ist zu schaffen. Wer weiß schon, wie lange die Krise dauert? Und schließlich muss der betroffene Arbeitnehmer der Überlassung zugestimmt haben – eigentlich auch kein Problem, denn ohne solches, macht die Überlassung wenig Sinn. Und wer hätte schon etwas dagegen, seinen Arbeitsplatz und seinen Lohn zu behalten?

Das BMAS hat damit scheunentürweit fast für alle Branchen und Betriebe die Ausnahmeregelung geöffnet. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Die Ausnahme gilt für Unternehmen jeglicher Größe und Branche (mit Ausnahme des Baugewerbes).
  • Es ist noch nicht mal eine Anzeige an die Bundesagentur für Arbeit erforderlich.
  • Dem Wortlaut des Gesetzes nach gilt noch nicht einmal der Equal Pay/Equal Treatment Grundsatz des § 8 AÜG. Den Sachbearbeitern des BMAS erscheint dieses Ergebnis wohl selbst etwas merkwürdig, weisen sie auf ihrer Website doch darauf hin, dass es angesichts der besonderen Bedeutung derartiger Einsätze sachgerecht sei sowie dem unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entspreche, die eingesetzten Arbeitnehmer mit den Stammbeschäftigten im Einsatzbetrieb gleichzustellen – eine eher wolkige Mahnung an die Arbeitgeber es nicht zu übertreiben. Den Pferdefuß sollte man allerdings nicht übersehen: Die sehr großzügige Auslegung des BMAS bindet zwar die Arbeitsagenturen als nachgelagerte Behörden, nicht jedoch die Gerichte. Ein Arbeitsgericht könnte sich durchaus die Frage stellen, ob die monatelange Überlassung der Küchenmannschaft eines Hotels an einen Hersteller von Fertiggerichten wirklich noch „gelegentlich“ ist. Der entliehene Arbeitnehmer könnte mit diesem Argument versuchen, sich in die Stammbelegschaft des Herstellers herein zu klagen, siehe § 10 AÜG.

2. Die kleine Lösung (§ 1a AÜG)

Ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten braucht keine Erlaubnis nach dem AÜG, wenn er Mitarbeiter zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen anderen Arbeitgeber überlässt und die Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wurden. Diese Ausnahme ist begrenzt für die Dauer von zwölf Monaten. In diesem Fall genügt eine Anzeige an die Arbeitsagentur mit wenigen Angaben, insbesondere zu Beginn und Dauer der Überlassung und Angabe der betroffenen Arbeitnehmer. Vorteile also:

  • Die sachlichen Voraussetzungen – drohende Kurzarbeit oder Entlassung – dürften in der aktuellen Krisenzeit leicht und klar zu belegen sein.
  • Die Anzeige an die Arbeitsagentur bleibt eine kleine Formalität.
  • Mit der Maximaldauer von zwölf Monaten ist ein sicherer Rahmen gesetzt.

Aber auch die Nachteile liegen auf der Hand:

  • Die Ausnahme begünstigt nur Arbeitgeber mit bis zu 50 Beschäftigten. Gezählt wird aber auf Einzelunternehmensebene, nicht im Konzern.
  • Equal Pay / Treatment gilt.

Es ist also durchaus einen Gedanken wert, welche Lösung die bessere ist. Im Zweifel helfen wir gerne.

Stand: 08.04.2020
Wir weisen darauf hin, dass sich aufgrund der gegenwärtigen Dynamik die Rechtslage jederzeit ändern kann. Auf Rückfrage können wir Ihnen gerne den dann aktuellen Sachstand erläutern.