Keine Verpflichtung zur Bildung eines zweiten Aufsichtsrates bei der Komplementär-GmbH einer dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden GmbH & Co. KGaA


28.11.2014 „BGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 1997 zu grundlegender mitbestimmungsrechtlicher Frage bestätigt:

Keine Verpflichtung zur Bildung eines zweiten mitbestimmten Aufsichtsrates bei der Komplementär-GmbH einer dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden GmbH & Co. KGaA“

Dr. Manuela Hörstmann-Jungemann, Partnerin des Osnabrücker Schindhelm-Standortes, erstreitet eine Rechtsklarheit bringende Entscheidung vor dem Landgericht Hannover und dem Oberlandesgericht Celle

I. Problemstellung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Rahmen seiner Entscheidung vom 24. Februar 1997 (Az.: II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 ff.), in der er die KGaA mit einer juristischen Person als persönlich haftenden Gesellschafterin, also insbesondere die GmbH & Co. KGaA, anerkannt hatte, entschieden, dass die Regelung des § 4 MitbestG, die unter bestimmten Voraussetzungen die Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG vorsieht, auf die GmbH & Co. KGaA nicht analog anzuwenden ist. Seit diesem Zeitpunkt war der BGH mit der Frage einer analogen Anwendbarkeit dieser Vorschrift oder auch des § 5 MitbestG, der in bestimmten Konzernstrukturen die Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates bei einer sonst nicht der Mitbestimmung unterliegenden GmbH vorsieht, nicht wieder befasst.

Der von uns auf Seiten der Antragsgegnerin, also einer Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KGaA, geführte Rechtsstreit gab auch der obergerichtlichen Rechtsprechung Anlass, zu dieser Frage nach mehr als 15 Jahren erneut Stellung zu nehmen. Die erkennenden Gerichte haben dabei an der überzeugenden Rechtsauffassung des BGH aus dem Jahre 1997 festgehalten und keinen Anlass gesehen, diese Frage erneut dem BGH zur Entscheidung vorzulegen.

Die von uns erstrittene Entscheidung erging im Rahmen eines sogenannten aktienrechtlichen Statusverfahrens, in dem über die Frage gestritten wurde, ob bei einer Komplementär-GmbH ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist. Der Gesamtbetriebsrat einer dem Mitbestimmungsgesetz 1976 (MitbestG) unterliegenden KGaA mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin hatte die Feststellung beantragt, dass bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des MitbestG zu bilden sei. Er hat seine Auffassung im Wesentlichen damit begründet, dass die Regelung des § 4 MitbestG hier analog anzuwenden sei. Ferner ergebe sich die Pflicht zur Errichtung des mitbestimmten Aufsichtsrates bei der Komplementär-GmbH seiner Auffassung nach auch aus § 5 MitbestG.

Der Antrag hatte weder in der I. Instanz vor dem Landgericht Hannover noch in der Beschwerdeinstanz vor dem Oberlandesgericht Celle Erfolg. Er wurde vollumfänglich zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

II. Rechtliche Würdigung

Die gerichtlichen Entscheidungen beruhten insbesondere auf den folgenden Erwägungen:

1. Nach § 4 MitbestG gelten bei einer GmbH & Co. KG die Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft für die Anwendung des MitbestG als Arbeitnehmer des persönlich haftenden Gesellschafters, wenn die Mehrheit der Kommanditisten auch die Mehrheit der Anteile oder der Stimmen in dem Unternehmen des persönlich haftenden Gesellschafters innehat, sofern nicht der persönlich haftende Gesellschafter einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Beteiligungsidentität bei der KGaA und ihrer Komplementär-GmbH ist gegeben. Die Komplementär-GmbH unterhält auch keinen eigenen Geschäftsbetrieb mit vorgenannter Arbeitnehmerzahl.

Gleichwohl haben die Gerichte eine Analogie des § 4 MitbestG hier zu recht abgelehnt. Nach der Auffassung der Rechtsprechung liegt hier weder eine planwidrige Regelungslücke vor, noch ist die Regelung des § 4 MitbestG von der GmbH & Co. KG auf die GmbH & Co. KGaA übertragbar.

Bereits das Landgericht Hannover hat überzeugend ausgeführt, dass der Gesetzgeber, etwa als er die Regelung des § 279 Absatz 2 AktG über die Firmierung einer KGaA mit einer juristischen Person als persönlich haftender Gesellschafterin im Jahre 1998 in das Aktiengesetz eingefügt hat, die Existenz der GmbH & Co. KGaA erkannt und anerkannt hat. Zu einer Änderung des MitbestG dahin, dass eine § 4 MitbestG entsprechende Regelung bei der GmbH & Co. KGaA geschaffen wird, hat sich der Gesetzgeber hingegen nicht veranlasst gesehen. Gleichermaßen hat sich der Gesetzgeber verhalten, als er gewerbesteuerrechtliche und umwandlungsrechtliche Regelungen geschaffen hat, die von der Existenz einer GmbH & Co. KGaA ausgehen. Das Landgericht Hannover hat sich hier der vom BGH vertretenen Auffassung angeschlossen, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sei, den auf politischem Wege gefundenen Mitbestimmungskompromiss durch eine – wie auch immer geartete – Rechtsfortbildung zu korrigieren. Es sei allein Sache des Gesetzgebers, das MitbestG den neuen Gegebenheiten anzupassen, wenn er der Ansicht sein sollte, dass die KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftende Gesellschafterin (weitergehend) der Mitbestimmung unterworfen werden müsse.

Darüber hinaus hat das Landgericht Hannover zu Recht festgestellt, dass es an der Vergleichbarkeit der GmbH & Co. KGaA mit einer GmbH & Co. KG fehle. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die KGaA im Falle des Vorliegens der entsprechenden Arbeitnehmerzahl einen Aufsichtsrat zu bilden hat, während das MitbestG auf die Kommanditgesellschaft keine Anwendung findet, bei der KG also kein Aufsichtsrat zu bilden ist. Eine analoge Anwendung des § 4 MitbestG würde deshalb dazu führen, dass ein zweiter Aufsichtsrat zu bilden wäre mit der Folge, dass bei der GmbH & Co. KGaA insgesamt zwei Kontrollgremien, ggf. mit unterschiedlicher personeller Zusammensetzung der beiden Organe, zu errichten wären.

2. Auch die Verpflichtung zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrates nach § 5 MitbestG wurde im Ergebnis abgelehnt. Das Landgericht Hannover bezog sich hier auf den grundlegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 30. August 1979 (Az.: 9 Wx 8/78, BB 1979, 1577, 1578). Danach ist § 5 Absatz 1 MitbestG auf eine GmbH & Co. KG nicht anwendbar, wenn die Komplementär-GmbH nur diese eine Kommanditgesellschaft leitet. Begründet wurde dies damit, dass § 4 MitbestG ihren Sinn verlöre, wenn man § 5 Absatz 1 MitbestG generell auf die GmbH & Co. KG anwenden wollte. Entsprechendes gelte, wollte man § 4 MitbestG auf die GmbH & Co. KGaA analog anwenden, auch für diese Gesellschaftsform. Jedenfalls könne eine Komplementär-GmbH nur dann als herrschendes Unternehmen i. S. v. § 5 Absatz 1 MitbestG angesehen werden, wenn sie aufgrund der Beteiligungsverhältnisse und der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages die KGaA beherrsche, etwa wenn die Anteile an der Komplementär-Kapitalgesellschaft ganz oder überwiegend bei einer Minderheit der Kommanditaktionäre liegen. Eine derartige Konstellation sei hier aber nicht gegeben.

III. Praxishinweise

Die Entscheidungen des Landgerichts Hannover und des Oberlandesgerichts Celle haben Klarheit dahingehend gebracht, dass die Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jah-re 1997 noch immer aktuell ist. Dadurch, dass die Rechtsprechung der Forderung nach der Bildung eines zweiten Aufsichtsrates eine klare Absage erteilt hat, bleibt es dabei, dass allein bei der KGaA, soweit diese mehr als 2000 Arbeitnehmer hat, ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist. Dieser hat nach den einschlägigen mitbestimmungsrechtlichen Regelungen keine Personalkompetenz zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung und es gibt in der KGaA keinen Arbeitsdirektor. Der Aufsichtsrat ist ferner nicht berechtigt, von sich aus einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäftsführungshandlungen zu erlassen und damit durch die Erteilung oder Verweigerung seiner Zustimmung auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Die GmbH & Co. KGaA bleibt damit weiterhin eine für die Gestaltungspraxis interessante Rechtsform.

Ansprechpartnerin

Rechtsanwältin Dr. Manuela Hörstmann-Jungemann (Osnabrück)