Force Majeure und Wegfall der Geschäftsgrundlage in Deutschland

Wann entfällt die Pflicht zur Vertragserfüllung?

Nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs entfällt Pflicht zur Vertragserfüllung, wenn die Erbringung der geschuldeten Leistung dauerhaft unmöglich wird, wenn also kein Mensch auf der Welt die Leistung erbringen kann. Dann entfällt auch die Gegenleistung, also die Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises. Der Verkäufer kann aber dem Käufer gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er diese Unmöglichkeit zu vertreten, sprich verschuldet hat. Ist der Grund für den Untergang z.B. einer Kaufsache höhere Gewalt, fehlt es regelmäßig am Verschulden und den Verkäufer trifft grundsätzlich keine Schadensersatzpflicht. Höhere Gewalt liegt nach deutscher Rechtsprechung vor, wenn ein schadenverursachendes Ereignis von außen einwirkt, also seinen Grund nicht in der Natur der gefährdeten Sache hat (objektive Voraussetzung) und das Ereignis auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann (subjektive Voraussetzung).

Wann kommt ein Rücktritt oder eine Anpassung des Vertragsverhältnisses in Betracht?

Wann kommt ein Rücktritt oder eine Anpassung des Vertragsverhältnisses in Betracht?

Das Recht auf Anpassung des Vertragsverhältnisses bis hin zum Rücktritt von dem Vertrag insgesamt folgt nach deutschem Recht den Grundsätzen, die zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelt wurden. Geschäftsgrundlagen sind – grob gesagt – die beiderseits erkennbaren Vorstellungen von Motiven, Bedingungen und Umständen, die bei dem Vertragsschluss bestanden haben. Nach dem Grundsatz, dass Verträge zu erfüllen sind (pacta sunt servanda) kommen solche Anpassungen oder Auflösungen von Vertragsverhältnissen nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Dies kann aber z.B. bei sprunghaften Erhöhungen von Rohstoffpreisen oder Produktionskosten in Betracht kommen. In Prozent ausgedrückte Preissteigerungsraten, die generell zu der Annahme einer Äquivalenzstörung im Sinne eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage führen, gibt es nicht. Die Äquivalenzstörung muss beträchtlich sein und jeder Einzelfall unterliegt einer gesonderten Bewertung.

Wie können künftige Vertragsverhältnisse optimalerweise gestaltet werden?

Unter den gegebenen Umständen, in denen die Stabilität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen namentlich durch Krieg und Pandemie beeinflusst wird, liegt die Verwendung spezieller Vertragsklauseln, sog. „Force-Majeure-Klauseln“ auf der Hand. Diese Klauseln definieren bestimmte Fälle, wie etwa Kriegshandlungen, an die sich bestimmte Rechtsfolgen anknüpfen, wie etwa ein Rücktrittsrecht oder ein Anpassungsmodus für das Vertragsverhältnis. Hier besteht dann auch Raum, beispielsweise für den Fall definierter Preissteigerungen bei bestimmten Rohstoffen entsprechende Vertragsanpassungen vorzusehen. Dies kann im Interesse aller Vertragsbeteiligten liegen, weil auf diese Weise klare Regeln für den Eintritt misslicher Entwicklungen von Rahmenbedingungen gesetzt werden, die in dem betreffenden Vertragsverhältnis von individueller Relevanz sind. Force-Majeure-Klauseln empfehlen sich nicht nur in Verträgen, sondern auch in AGBs. Bei der Gestaltung müssen Missbrauchsgrenzen zwingend beachtet werden.



Autor: Dr. Johannes Thoma