Ende der Schonfrist: Das Insolvenzrecht schlägt jetzt wieder mit voller Härte zu

Der Gesetzgeber hatte in den letzten Monaten die Insolvenzantragspflicht für Schuldner bis zum 30. April 2021 ausgesetzt, die aufgrund der COVID-19-Pandemie in Schieflage geraten waren. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages wurde demnach sowohl im Fall der Zahlungsunfähigkeit als auch bei einer Überschuldung für diejenigen Unternehmen ausgesetzt, die zwischen dem 1. November 2020 und dem 28. Februar 2021 staatliche Hilfen beantragt und im Fall der Zahlung der beantragten Leistungen Aussichten auf Beseitigung der bestehenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung haben, sofern die Insolvenzreife auf die Pandemie zurückzuführen war. Die Verschonung ist unter den folgenden Voraussetzungen gewährt worden: 

Zahlungsunfähigkeit beruht auf den Folgen der Pandemie

Die Aussetzung der Antragspflicht greift grundsätzlich nur ein, wenn die Insolvenzreife auf der Corona-Pandemie beruht. Dies bedeutet, dass eine etwaige Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, die auf anderweitige Gründe zurückzuführen ist, eine Antragspflicht des Schuldners nach den allgemeinen Regelungen zur Folge hat.

Zugunsten des potentiellen Insolvenzschuldners hat der Gesetzgeber aber eine Vermutungsregelung aufgestellt: War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird grundsätzlich vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Zu beachten ist allerdings, dass diese Vermutung im Einzelfall widerlegt werden kann.

Berechtigung für staatliche Hilfsprogramme

Ferner können sich die Schuldner auf die Aussetzung nur berufen, wenn sie die finanziellen Hilfeleistungen im Rahmen der staatlichen Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Pandemie bis zum 28. Februar 2021 beantragt haben. Wenn eine Antragstellung bis zu diesem Termin aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war, ist maßgeblich, ob eine Antragsberechtigung nach den Bedingungen der Hilfsprogramme überhaupt besteht, mit anderen Worten, dass der Schuldner zu dem Kreis der Berechtigten zählt, für die die Hilfsprogramme aufgelegt worden sind. Um in den Genuss der Verschonung zu kommen, hat der Schuldner, konkret der betroffene Geschäftsleiter bzw. die betroffene Geschäftsleiterin, darzulegen und zu beweisen, dass die staatliche Hilfeleistung beantragt worden ist bzw. dass eine entsprechende Antragsberechtigung bestand. 

Aussicht auf Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Schließlich werden nur diejenigen Unternehmen von der Insolvenzantragspflicht befreit, bei denen überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Zahlungsunfähigkeit oder eine bestehende Überschuldung und damit deren Insolvenzreife mithilfe der beantragten bzw. gewährten Hilfeleistung beseitigt wird. Mit anderen Worten setzt die Verschonung voraus, dass noch Chancen auf die Abwendung der Insolvenzreife und das Überleben des Unternehmens bestehen. Zugunsten des Schuldners wird aber auch an dieser Stelle - wenngleich widerlegbar - vermutet, dass bei einer noch bestehenden Zahlungsfähigkeit zum 31. Dezember 2019 Aussicht darauf besteht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigen zu können. 

Ab dem 1. Mai 2021: Geltung der allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen

Mit dem Auslaufen der gesetzlichen Verschonungsregelung des Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) gelten wieder die allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen. Ein Schuldner, der eine juristische Person ist, hat spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, drohen den antragspflichtigen Mitgliedern des Vertretungsorgans des Schuldners nicht nur erhebliche Haftungsrisiken, sondern sogar die Strafbarkeit. Ferner darf die antragspflichtige Person nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung grundsätzlich keine Zahlungen mehr für den Schuldner vornehmen, andernfalls bestehen auch hier erhebliche Schadenersatzpflichten. Ausgenommen hiervon sind lediglich Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, insbesondere solche, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen und der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen (§ 15b InsO).

Auch die Regelungen zur Insolvenzanfechtung, die durch das COVInsAG außer Kraft gesetzt waren, sind ab dem 1. Mai 2021 wieder anwendbar . Nach dem COVInsAG gelten die bis zum 31. März 2022 geleisteten Zahlungen auf Forderungen aufgrund von Stundungen, die bis zum 28. Februar 2021 gewährt worden sind, als nicht gläubigerbenachteiligend und sind daher dem Anfechtungsrisiko nicht ausgesetzt. Dies gilt insoweit, als gegenüber dem Schuldner ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des COVInsAG noch nicht eröffnet worden ist. Die Insolvenzverwalter werden ab sofort von ihren Möglichkeiten zur Insolvenzanfechtung wieder verstärkt Gebrauch machen können. Für Geschäftspartner insolvenzgefährdeter Schuldner bestehen jetzt somit wieder hohe Risiken, dass sie die vom Schuldner erlangten Leistungen zurückgewähren müssen und ihre Ansprüche gegen den Schuldner lediglich mit Aussicht auf eine geringe Quote zur Insolvenztabelle anmelden können. Diese Risiken dürften jetzt sogar noch höher sein als vor der Pandemie, da sie konsequenterweise mit dem Risiko einer möglicherweise massiven Insolvenzwelle der Schuldner steigen.

Es bleibt abzuwarten, wie viele Schuldner, die es aufgrund der Regelungen des COVInsAG geschafft haben, zu Recht oder zu Unrecht ohne Insolvenzantragstellung durch die Krise zu kommen, sich jetzt als zahlungsunfähig oder überschuldet erweisen. Die in der Presse auch als „Zombie-Gesellschaften“ bezeichneten Schuldner können auch Gläubiger, die bisher gut durch die Pandemie gekommen sind, in ernste Schwierigkeiten bringen. 

Eine frühzeitige Beratung wegen einer jetzt möglicherweise erforderlichen Insolvenzantragstellung oder im Hinblick auf geeignete Vorkehrungen zur Abwehr von Anfechtungsrisiken ist jetzt wichtiger als zuvor. Die Experten von Schindhelm stehen Ihnen für Fragen zum Insolvenzrecht jederzeit sehr gern zur Verfügung.

 

Dr. Manuela Hörstmann-Jungemann, Partnerin, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück