Bundesregierung beschließt die Reform des Erbschaftsteuergesetzes

Wir berichteten hier kürzlich über den am 2. Juni 2015 vom Bundesfinanzministerium (BMF) vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“.

I. Regierungsentwurf

Am 8. Juli 2015 verabschiedete nun das Bundeskabinett den leicht veränderten Gesetzesentwurf. Bereits am gleichen Tage war aus Regierungskreisen zu hören, dass – nach umfassender Kritik der Verbände - mit weiteren Veränderungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu rechnen ist.

Wir fassen die Regelungen des Regierungsentwurfs hier noch einmal kurz zusammen.

1. Verschonungsregelungen

Wie im bisherigen Recht kann das begünstigte Vermögen wahlweise zu 85 % oder zu 100 % von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit werden.

Für die Regelverschonung in Höhe von 85 % muss der Erwerber den Betrieb mindestens fünf Jahr fortführen (Behaltensfrist) und die Lohnsumme darf innerhalb von fünf Jahren nach Erwerb insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten (Lohnsummenregelung).

Für die Optionsverschonung von 100 % muss der Erwerber den Betrieb mindestens sieben Jahre fortführen (Behaltensfrist) und die Lohnsumme darf innerhalb von sieben Jahren nach Erwerb insgesamt 700 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreiten (Lohnsummenregelung).

2. Kleine Unternehmen

Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern waren bisher von der Lohnsummenregelung ausgenommen. Diese Grenze hatte das Bundesverfassungsgericht verworfen. Nunmehr ist vorgesehen, dass die Anforderung an die Lohnsummenregelung mit der Zahl der Beschäftigten steigt.

  • Bei Betrieben bis zu drei Arbeitnehmern wird auf die Prüfung der Lohnsummenregelung verzichtet.
  • Bei Betrieben mit vier bis zehn Arbeitnehmern muss die Mindestlohnsumme bei fünf Jahren mindestens 250 % bzw. bei sieben Jahren mindestens 500 % der Ausgangslohnsumme betragen.
  • Bei Betrieben mit elf bis fünfzehn Arbeitnehmern darf die Mindestlohnsumme bei fünf Jahren 300 %, bei sieben Jahren 565 % der Ausganslohnsumme nicht unterschreiten.

Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Betriebe dieser Größenordnung eher schwankende Beschäftigungszahlen haben.

Um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, bei denen z. B. Betriebe aufgespalten und schrittweise übertragen werden, um die Lohnsummenregelung zu umgehen, müssen künftig die Beschäftigtenzahl und Lohnsummen der einzelnen Betriebe zusammengerechnet werden.

3. Große Betriebsvermögen

Nach geltendem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz greifen die Verschonungsregelungen ohne weitere Prüfung über die Notwendigkeit einer Verschonung. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht bemängelt.

Der Gesetzesentwurf sieht nun bei Erwerben von Betriebsvermögen von über EUR 26 Mio. (Prüfschwelle) ein Wahlrecht zwischen einer sog. „Verschonungsbedarfsprüfung“ oder einem „besonderen Verschonungsabschlag“ vor. Bei Vorliegen gesellschaftsrechtlich verankerter - sehr restriktiver - Ausschüttungs- und Abfindungsregeln wird die Prüfschwelle auf EUR 52 Mio. angehoben.

Bei der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld aus sonstigem nicht betrieblichen bereits vorhandenem (Privat-) Vermögen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenem nicht begünstigten Vermögen zu bezahlen. In diesem Fall wird die Steuer insoweit erlassen.

Bei begünstigtem Vermögen von über EUR 26 Mio. bis EUR 52 Mio. kann der Erwerber statt der Verschonungsbedarfsprüfung alternativ das Verschonungsabschmelzmodell wählen.

Ausgehend von einem Verschonungsabschlag bei bis zu EUR 26 Mio. von 85 % (bei einer Regelverschonung) bzw. von 100 % (bei einer Optionsverschonung) schmilzt die Verschonung schrittweise für jede EUR 1,5 Mio., die der Erwerb über der jeweiligen Prüfschwelle liegt, um jeweils 1 %, bis ein Wert von EUR 116 Mio. bzw. EUR 142 Mio. (bei Vorliegen bestimmter gesellschaftsrechtlich verankerter Beschränkungen) erreicht wird. Ab EUR 116 Mio. begünstigten Betriebsvermögens gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 20 % bei der Regelverschonung und im Fall der Optionsverschonung von 35 %. Doch auch in diesem Fall darf der Erwerber nicht gegen die Lohnsummenregelungen und die Behaltensfrist verstoßen.

II. Inkrafttreten

Die Neuregelung soll für alle Erwerbe Anwendung finden, für die die Steuer nach dem Zeitpunkt entsteht, in dem das Änderungsgesetz anzuwenden ist (Tag der Verkündung).

III. Fazit

Gegenüber dem Gesetzesentwurf vom 2. Juni 2015 wurden - nach massiver Kritik daran – in dem vorliegenden Regierungsentwurf lediglich die Schwellenwerte leicht erhöht.

Die ebenfalls von anderen politischen Kreisen und von Verbänden kritisierte neue Definition von begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen und auch der kritisierte geplante Rückgriff auf das Privatvermögen des Erwerbers zur Begleichung der Steuerverbindlichkeit wurden ohne Änderungen aus dem Entwurf vom 2. Juni 2015 in den Regierungsentwurf übernommen.

Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen des weiteren parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens der Regierungsentwurf Änderungen erfahren wird.

Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.

Ansprechpartnerinnen:

Steuerberaterin Petra Jaretzke, Hannover

Rechtsanwältin Siegrid Lustig, Hannover

Rechtsanwältin Manuela Hörstmann-Jungemann, Osnabrück