BGH konkretisiert Anforderungen an Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen

Mit Beschluss vom 6. Juli 2016 hat der Bundesgerichtshof seine Anforderungen an Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen konkretisiert und damit mittelbar etliche solcher Verfügungen im Ergebnis für unwirksam erklärt (Az. XII ZB 61/16).

Der Entscheidung lag ein Streit unter drei Töchtern zugrunde. Sie konnten sich nicht über den weiteren Umgang mit der erkrankten Mutter einigen. Die Betroffene erlitt 2011 einen Hirnschlag und wurde fortan künstlich mit einer Magensonde ernährt. 2013 verlor sie zusätzlich die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation. In zwei gleichlautenden Patientenverfügungen hatte sie erklärt, dass unter anderem im Falle einer dauerhaften Schädigung des Gehirns „lebensverlängernde Maßnahmen“ unterbleiben sollen. Einer ihrer drei Töchter hatte sie eine entsprechende notarielle Vorsorgevollmacht zur Durchsetzung ihres Willens erteilt. Die Bevollmächtigte und die behandelnde Hausärztin waren übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung gegenwärtig nicht dem Willen der Betroffenen entspreche. Auf der Grundlage der in den Dokumenten der Betroffenen verwendeten Formulierungen gab der BGH der Tochter recht und verwies die Sache zurück an das Landgericht.

Die Karlsruher Richter stellten fest, dass ein Bevollmächtigter nach § 1904 BGB die Einwilligung, Nichteinwilligung und den Widerruf der Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen rechtswirksam ersetzen kann. Voraussetzung sei, dass die Vorsorgevollmacht schriftlich erteilt wurde und der Vollmachttext hinreichend klar umschreibt, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, diese zu unterlassen oder vornehmen zu lassen. Überdies müsse aus der Vollmacht deutlich hervorgehen, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann. Wird dem Bevollmächtigten bloß ein Mitspracherecht, nicht aber ein Recht zur Bestimmung der medizinischen Vorgehensweise eingeräumt, dürften die Voraussetzungen des § 1904 BGB nicht erfüllt sein.

Hinsichtlich der Patientenverfügung erläuterte das Gericht, dass eine solche nur dann unmittelbare Bindungswirkung entfalte, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Nicht ausreichend seien allgemeine Anweisungen, wie der Wunsch, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthalte für sich keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Die Senatsrichter entschieden zwar, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung nicht überspannt werden dürften, doch lassen sie offen, wie eine verbindliche Patientenverfügung gestaltet sein muss. Im Zweifel ist auf bestimmte ärztliche Maßnahmen, spezifizierte Krankheiten und Behandlungssituationen Bezug zu nehmen.

Der Karlsruher Beschluss ist von großer praktischer Relevanz und sollte viele Vorsorgende aufhorchen lassen. Damit Ihre persönlichen Patientenwünsche auch tatsächlich umgesetzt werden können, sollten Sie Ihre Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen auf die verschärften Kriterien hin rechtlich prüfen lassen.

Ansprechpartnerin

Rechtsanwältin Dr. Manuela Hörstmann-Jungemann, Osnabrück