Zur Reichweite des Gutglaubensschutzes durch die Gesellschafterliste

Ein Urteil des OLG Bremen (Urteil v. 21.10.2011 - 2 U 43/11, GWR 2012, 271) und ein Urteil des BGH (Beschluss des II. Zivilsenats vom 20.09.20011 - II ZB 17/10) geben Anlass, auf die Reichweite des Gutglaubensschutzes durch eine Gesellschafterliste hinzuweisen:

Im Wesentlichen beschränkt sich der Gutglaubensschutz durch die Gesellschafterliste auf die Frage, wer – unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage – als Gesellschafter gilt. Die Gesellschafterliste verrät indes nichts darüber, ob ein dort Eingetragener auch über seinen (ggf. vermeintlichen) Gesellschaftsanteil verfügen kann; der gute Glaube hieran wird daher nicht geschützt.

Hintergrund der Entscheidung des OLG Bremen war ein Streit zwischen zwei Gründern einer Gesellschaft. Der Kläger hatte seinen Anteil dem einzigen Mitgesellschafter übertragen; daraufhin wurde dieser Gesellschafter in der Gesellschafterliste beim Registergericht als Alleingesellschafter eingetragen. Später hatte der Mitgesellschafter die Übertragung des Anteils angefochten, da er arglistig getäuscht wurde. Der Kläger wurde dadurch rückwirkend wieder zum Gesellschafter. Die Gesellschafterliste wurde allerdings nicht berichtigt. Um gleichwohl einen Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft herbeizuführen, hatte der Mitgesellschafter. auf einer Gesellschafterversammlung den Beschluss gefasst, den Kläger aus wichtigem Grund auszuschließen. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass dieser Beschluss der Gesellschafterversammlung unwirksam sei.

Das OLG hat der Klage stattgegeben. Maßgeblich war, dass gem. § 16 Abs. I Satz 1 GmbHG im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Gesellschafter gilt, der in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies war aber nur der Mitgesellschafter. Der Gesellschafterbeschluss, den Kläger auszuschließen, musste daher ins Leere gehen, da der Kläger diesbezüglich – ungeachtet der tatsächlichen Rechtslage – nicht als Gesellschafter galt. Der Beschluss war nicht in der Lage, irgendeine Wirkung zu entfalten und mithin a priori unwirksam.

Der BGH hat in Erinnerung gerufen, dass auch für Gesellschaftsanteile die allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätze gelten: Die Gesellschafterliste gibt lediglich darüber Auskunft, wer Gesellschafter ist, bzw. wer gem. § 16 Abs. I GmbHG als solcher gilt. Die Gesellschafterliste schützt daher nur den guten Glauben an eine Eigentümerstellung des Veräußerers; nicht aber den guten Glauben an dessen Verfügungsbefugnis. Insoweit hat der BGH lediglich klargestellt, dass das, was ansonsten im Bürgerlichen Recht hinsichtlich anderer Gegenstände gilt, auch für Anteile an Gesellschaften gilt – und deutlich gemacht, dass die Gesellschafterliste keinen weiterreichenden Schutz gewährt. Sollte ein Gesellschafter (oder ein scheinbarer Gesellschafter) aus irgendwelchen Gründen in der Verfügungsbefugnis beschränkt sein, wird dies nicht aus der Gesellschafterliste ersichtlich. Insoweit mangelt es folglich auch an einem tauglichen Rechtsscheinträger.

Für die gesellschaftsrechtliche Praxis sowie insbesondere auch die des Unternehmenskaufs ergeben sich hieraus zwei Konsequenzen: 1. Gesellschaften sollten darauf bedacht sein, stets die Gesellschafterlisten auf dem aktuellen Stand zu halten. 2. Potentielle Erwerber von Gesellschaftsanteilen sollten sich vorsichtshalber schon im Unternehmenskaufvertrag garantieren lassen, dass der Veräußerer nicht in seiner Verfügungsbefugnis beschränkt ist.

Ansprechpartner

Dr. Christoph Bottermann, LL.M. (Osnabrück)