Zu russischem Roulette, texanischem Shoot-Out & sizilianischer Eröffnung

Das OLG Nürnberg hat Zweifel an der Wirksamkeit von sog. „Shoot-Out“ Klauseln in Gesellschaftsverträgen deutlich abgemindert. In seinem Urteil vom 20.12.2013 (Az. 12 U 49/13), das sich mit der Wirksamkeit einer sog. „Russian Roulette“ Klausel befasst, hat es sich zugleich zu der grundsätzlichen Wirksamkeit vergleichbarer „Shoot-Out“ Klauseln geäußert.

Hintergrund

Funktion sämtlicher dieser gleichsam martialisch titulierten Klauseln ist es, in Gesellschaftsverträgen von Gesellschaften mit identischer Beteiligung zweier Gesellschafter (paritätisches Joint Venture) die Gefahr einer Selbstblockade (Deadlock), welche die Entwicklung und das Fortbestehen der Gesellschaft gefährden kann, zwischen den beiden Gesellschaftern aufgrund einer Pattsituation in der Gesellschafterversammlung zu vermeiden. Dies soll im Extremfall durch eine Klausel geschehen, die einen schnellen Ausstieg einer Partei aus der Gesellschaft erlaubt, wobei das Bestehen solcher Klauseln durch Abschreckung auch zugleich den Einigungsdruck in der Gesellschafterversammlung erhöht.

  • Bei der „Russian Roulette“ Klausel kann jeder Gesellschafter dem anderen Gesellschafter ein Angebot zum Kauf seiner Beteiligung übergeben. Bei Nichtannahme durch den Angebotsempfänger ist dieser seinerseits verpflichtet, seine Beteiligung zu demselben Preis zu verkaufen und zu übertragen. Der Anbietende weiß bei Abgabe seines Angebots also nicht, ob er zu dem von ihm aufgerufenen Preis wird verkaufen oder kaufen müssen – bzw. im Bild bleibend, die Kammer des Revolvers leer ist oder nicht.
  • Bei der „Texan Shoot-Out“ Klausel kann jeder Gesellschafter dem anderen den Ankauf dessen Beteiligung antragen. Der Angebotsempfänger kann das Angebot entweder annehmen oder ein höheres Ankaufsangebot – in einem nächsten „Schuss“ – für die Beteiligung des Erstanbietenden abgeben. Der Erstanbietende kann dieses Angebot wiederum annehmen oder – mittels eines neuen Schusses – erneut erhöhen.
  • Bei den als „sizilianische Eröffnung“ bezeichneten Klauseln gibt jeder Gesellschafter ein verdecktes Ankaufsgebot ab, wobei sich das höhere Angebot durchsetzt und der das niedrige Angebot Abgebende verkaufen muss.

Problemstellung

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH sind Klauseln gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, die es ermöglichen, einen Gesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (sog. Hinauskündigungsklauseln). Grund dafür ist im Wesentlichen, dass ein Gesellschafter bei der Ausübung seiner Gesellschafterrechte absolut frei von möglicherweise drohenden Hinauskündigungen agieren soll. Dieser Grundsatz gilt nach dem BGH jedoch nicht, wenn eine derartige Regelung aus einem sachlichen Grund gerechtfertigt ist.

Entscheidung des OLG

Unter diesem Gesichtspunkt könne ein Missbrauchseinwand im Einzelfall bei unterschiedlicher Finanzkraft der Gesellschafter bestehen. Das OLG nennt etwa beim „Russian Roulette“ das Angebot des finanzstärkeren Teils zu einem Preis von dem er weiß, dass der andere nicht imstande ist, ihn zu leisten oder wenn der Kauf oder Verkauf für einen Teil unzweckmäßig ist, der andere Teil dies weiß und so faktisch einen günstigeren Preis erzwingen kann.

Das OLG Nürnberg stellt jedoch in seinem Urteil klar, dass das grundsätzlich bestehende Missbrauchsrisiko, einen Gesellschafter gegen seinen Willen aus der Gesellschaft zu drängen nicht zur generellen Sittenwidrigkeit von Shoot-Out-Klauseln führt. Zum einen könne das Missbrauchsrisiko durch die schwächere Partei vermieden werden, indem einer solchen Klausel vertraglich nicht zugestimmt wird. Zum anderen rechtfertige der mit der Shoot-Out-Klausel verfolgte berechtigte Zweck der Auflösung eines möglichen „deadlock“ sachlich die Verwendung derartiger Klauseln.

Auswirkung für die Praxis

Das Urteil bringt ein Stück Klarheit für die Beratungspraxis. Allerdings bleiben auch weiterhin Detailfragen ungeklärt. Deswegen und wegen der durchgreifenden Folgen solcher Klauseln ist anwaltliche Beratung weiterhin unbedingt ratsam.

Ansprechpartner

Matthias Kirsch (Osnabrück, Shanghai), LL.M. (USA)