Vermögensverwaltung im Rahmen eines Behindertentestaments

Behindertentestamente von sehr wohlhabenden Eltern zugunsten ihrer behinderten Kinder scheinen einigen Sozialhilfeträgern ein Dorn im Auge zu sein. So hielt ein Sozialhilfeträger ein derartiges Testament sogar für sittenwidrig, konnte sich mit seiner Auffassung jedoch nicht durchsetzen (OLG Hamm Urt. v. 27.10.2016 – 10 U 13/16).

I. Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen

In dem der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 18.10.2018 - L 9 SO 383/17) zugrunde liegenden Sachverhalt wollte sich der Sozialhilfeträger auch nicht mit den Wirkungen eines Behindertentestaments zufriedengeben. Er akzeptierte, dass dem behinderten Vorerben zwar gewisse Erträge der Vorerbschaft durch den Testamentsvollstrecker sozialhilfeunschädlich überlassen werden können. Er meinte allerdings, dass die darüber hinaus gehenden Erträge vom Testamentsvollstrecker im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung an den Vorerben herauszugeben seien, und leitete den vermeintlichen Anspruch des Vorerben auf sich über. Das LSG Nordrhein-Westfalen hatte nicht über das Bestehen dieses Anspruchs, sondern nur über die Frage zu entscheiden, ob die Überleitung rechtmäßig war. Es bejahte dies mit dem Argument, dass der Anspruch nicht unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten von vornherein ausgeschlossen sei. Das LSG Nordrhein-Westfalen machte damit den Weg für den Sozialhilfeträger frei, das Bestehen des Anspruchs nunmehr von einem Zivilgericht klären zu lassen.

II. Stellungnahme

Wenn der Erblasser eine Vor- und Nacherbschaft mit Testamentsvollstreckung anordnet und bestimmt, dass der Testamentsvollstrecker dem Erben nicht alle Erträge, sondern nur diejenigen herausgeben soll, die ihm als sozialhilfeunschädlich zukommen können, ist dies im Hinblick auf die Testierfreiheit zulässig und zu akzeptieren. Dem Erben steht es frei, die Erbschaft auszuschlagen. Auch wenn der Wert der Vorerbschaft so groß ist, dass dessen Erträge zur Deckung des Unterhalts für den Vorerben ganz oder teilweise ausreichen würden, kommt eine Überleitung der vom Testamentsvollstrecker thesaurierten Erträge nicht in Betracht, weil ein entsprechender Anspruch des Vorerben gegen den Testamentsvollstrecker nicht besteht. Das vom Sozialhilfeträger im entschiedenen Fall angeführte Argument, eine Thesaurierung der nicht verbrauchten Erträge wirke zugunsten der Nacherben, ist nicht zutreffend. Die Nutzungen aus der Vorerbschaft stehen dem Vorerben und nicht dem Nacherben zu, und zwar unabhängig davon, ob sie thesauriert werden oder nicht. Daran ändert auch die Verwaltungsanordnung nichts. Sie verpflichtet den Testamentsvollstrecker lediglich, die Erträge dem Vorerben ausschließlich in sozialhilfeunschädlicher Art und Weise, also in Form von anrechnungsfreien Sachleistungen, zukommen zu lassen. Hierauf ist der Anspruch des Vorerben gegen den Testamentsvollstrecker gerichtet, nicht jedoch auf Herausgabe sämtlicher Erträge und schon gar nicht auf Herausgabe der Erträge in der tatsächlich erwirtschafteten Form (Geld). Mangels eines Anspruchs des Vorerben gegen den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe der thesaurierten Erträge, ging die Überleitung des Sozialhilfeträgers damit ins Leere.

III. Kostenersatz

Verstirbt der Vorerbe, geht die Vorerbschaft auf die Nacherben über. Das eigene Vermögen des Vorerben, insbesondere die thesaurierten Erträge vererbt er an seine eigenen Erben. Diese können die Herausgabe vom Testamentsvollstrecker verlangen, denn mit dem Tod des Vorerben endet auch die Testamentsvollstreckung. Dem Sozialhilfeträger bleibt es unbenommen, die Erben des Vorerben auf Zahlung der Kosten der Sozialhilfeleitungen für die letzten 10 Jahre in Anspruch zu nehmen (§ 102 SGB XII). Im Ergebnis sind die Kosten der Sozialhilfeleistungen also tatsächlich aus den thesaurierten Erträgen aus der Vorerbschaft zu tragen, allerdings erst nach dem Ableben des Vorerben und dann auch nur für einen Zeitraum von 10 Jahren.

IV. Empfehlung

Ist der Wert der Vorerbschaft des behinderten Menschen so groß, dass dessen Erträge zur Deckung seines Unterhalts ganz oder teilweise ausreichen würden, muss durch eine geeignete Testamentsgestaltung die Thesaurierung von Erträgen vermieden werden. Dies könnte insbesondere dadurch erreicht werden, dass der Erblasser den Vorerben – abweichend von den gesetzlichen Vorschriften – zur Tragung sämtlicher Kosten, also auch der außergewöhnlichen Erhaltungskosten verpflichtet. Dann könnte der Testamentsvollstrecker die thesaurierten Erträge für wertsteigernde Renovierungen und Modernisierungen von in die Vorerbschaft fallenden Immobilien verwenden und auf diese Art und Weise die dauerhafte Erzielung von Mieterträgen sicherstellen.

Ansprechpartnerin:

Siegrid Lustig, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht, Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT), Hannover

14. Mai 2019