Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts zur Abziehbarkeit

Der Bundesfinanzhof hat in einem Urteil vom 9. Juni 2010 (Az.: I R 107/09, veröffentlicht in DStR 2010, 1611) entschieden, dass die Verluste einer im europäischen Ausland gelegenen Betriebsstätte aus Gründen des Gemeinschaftsrechts ausnahmsweise in Deutschland bei der Gewinnermittlung abgesetzt werden können, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Betriebsstättenstaat steuerlich unter keinen Umständen verwertbar sind. Ein solcher Fall liege vor, wenn der Steuerpflichtige die ausländische Betriebstätte endgültig aufgegeben habe. In einem Urteil vom 3. Februar 2010 (Az.: I R 23/09, veröffentlicht in DStR 2010, 918) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Abzug ausländischer Betriebsstättenverluste nicht zulässig ist, wenn die Verluste im Betriebsstättenstaat nur deshalb nicht genutzt werden können, weil das Steuerrecht des Betriebsstättenstaates nur einen zeitlich begrenzten Verlustvortrag zulässt.

Schindhelm hat im Juni 2011 ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts erwirkt, mit dem das Niedersächsische Finanzgericht diese auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gestützte Rechtsprechung weiter konkretisiert hat. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin, eine deutsche GmbH, brachte in ihrer Steuererklärung für das Jahr 1999 den Veräußerungsverlust aus der Veräußerung ihrer Betriebsstätte in Belgien sowie den laufenden Verlust des letzten Geschäftsjahres vor der Betriebsveräußerung in Abzug.

Die Zweigniederlassung in Belgien, die im Jahr 1996 gegründet worden war, hatte seit ihrer Gründung nur Verluste erwirtschaftet. Die Klägerin hatte diese Verluste in den Jahren 1996 bis 1998 nach der Regelung des § 2a Absatz 3 EStG in der damals geltenden Fassung im Rahmen ihrer Gewinnermittlung zum Abzug gebracht.

Die Klägerin wurde zunächst auch für das Jahr 1999 antragsgemäß veranlagt. Nach Durchführung einer Außenprüfung erließ das Finanzamt jedoch im Jahr 2004 geänderte Steuerbescheide. Bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 wurde der von der Klägerin abgezogene „Betriebsstättenverlust Belgien“ dem zu versteuernden Einkommen wieder hinzugerechnet, was darauf gestützt wurde, dass nach § 2a Absatz 1 Nr. 2 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 im Veranlagungszeitraum 1999 negative Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden durften.

Die Klägerin hat gegen diesen Steuerbescheid Einspruch eingelegt und nach Zurückweisung des Einspruchs Klage erhoben.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Verluste, die die Klägerin mit ihrer belgischen Betriebsstätte bis zu deren Veräußerung erwirtschaftet hat, in Deutschland bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen seien, weil sie sich in Belgien weder im Jahr der Betriebsveräußerung noch in den Folgejahren ausgewirkt hätten. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Juni 2010 (Az.: I R 107/09) komme ein Verlustabzug abweichend von den Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland – Belgien aus Gründen des Gemeinschaftsrechts ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweise, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar seien (so genannte finale Verluste). Ein solcher „finaler“ Verlust liege vor, wenn der Verlust der ausländischen Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat aus tatsächlichen Gründen (hier: wegen der Veräußerung der Betriebsstätte) nicht mehr berücksichtigt werden könne.

Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs steht noch aus.

Das Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts vom 16. Juni 2011 (Az: 6 K 445/09) ist in der Fachzeitschrift „Internationales Steuerrecht“ (IStR 2011, 768) und auf der Internetseite des Niedersächsischen Finanzgerichts (http://www.finanzgericht.niedersachsen.de/) veröffentlicht.

Ansprechpartner

Dr. Sabine Freytag (Osnabrück)