Update Netzwerkdurchsetzungsgesetz: Der einsame Kampf gegen Hetze in den sozialen Medien

Neulich erhielten wir wieder einen Anruf eines verzweifelten Mandanten: Der Mandant ist im sozialen Bereich tätig und hatte hier mit anderen Personen eine Gruppe bei einem sozialen Netzwerk gegründet, um Spenden zu sammeln. Dies führte zu Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Mitgliedern, sodass sich ein Teil getrennt hat, um eine eigene Initiative zu gründen. Soweit so gut, doch das erste, was diese Mitglieder in ihrer neuen Gruppe veröffentlichen, sind jede Menge nicht haltbarer Behauptungen über fehlgeleitete Spenden, katastrophale Zustände, Betrugsvorwürfe und persönliche Verunglimpfungen meines Mandanten. Die sehr emotionalen Posts führen dazu, dass dem Mandanten völlig unbekannte Nutzer die Behauptung durch Emojis bekräftigen und ebenfalls beleidigende Kommentare abgeben. 

Gerade in Fällen, wo die hetzenden Personen nicht bekannt oder im Ausland ansässig sind, soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) Abhilfe schaffen. Hiernach kann ein Inhalt beim Anbieter des sozialen Netzwerks gemeldet werden. Er soll ihn prüfen und löschen, soweit er gegen geltendes Recht verstößt. Das ist die Theorie, die Praxis stellt sich leider insbesondere bei verleumderischen und beleidigenden Inhalten als schwierig dar. Der Meldebutton direkt neben dem Post führt nur zu standardisierten Antworten, dass kein Rechtsverstoß erkennbar sei. Offensichtlich wird hierdurch nur eine Filterfunktion aktiviert, die nur nach bestimmten Schlüsselbegriffen sucht. Das Formular zur Meldung des Verstoßes nach dem NetzDG ist auf der Webseite des Anbieters gut versteckt und sehr umständlich und aufwendig auszufüllen. Insbesondere müssen die URLs des Posts genau genannt werden, diese sind aber nur über bestimmte Klicks überhaupt einsehbar. 

Auch auf diese Beschwerde erhalten wir nur eine standardisierte Antwort, dass ein Rechtsverstoß nicht erkennbar sei. Wir fügen eine eidesstattliche Versicherung in Deutsch und Englisch bei und stellen die Korrespondenz komplett auf Englisch um, um überhaupt eine brauchbare Antwort zu erhalten. Diese bleibt jedoch gleich, der Sachverhalt ist offensichtlich zu kompliziert. Und so bleibt nur die Abmahnung, eine Strafanzeige und der Weg zum Gericht, um voranzukommen. Eine Beschwerde beim Bundesjustizministerium haben wir ebenfalls eingereicht. Nach drei Wochen erhalten wir eine Eingangsbestätigung mit der Bitte um Geduld. Derweil verbreitet sich der Inhalt im Netz fröhlich weiter. Von einem effizienten Rechtsmittel kann man hier leider nicht sprechen. 

Dieser Fall ist kein Einzelfall und so bleibt die Erkenntnis, dass das bisherige Netzwerkdurchsetzungsgesetz ein ziemlich stumpfes Schwert ist. Dies hat offensichtlich auch der Gesetzgeber erkannt und gleich durch zwei neue Gesetzesentwürfe Änderungen vorgesehen:

1. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (BT-Dr 19/17741) werden Diensteanbieter unter anderem verpflichtet, die Behörden über bestimmte Straftaten zu unterrichten, über die sie durch Hinweise oder anderweitig aufmerksam werden. Hierzu zählt zukünftig auch die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 StGB. 

2. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (BT-Dr 19/18792) will die Diensteanbieter veranlassen, die Meldewege zu verbessern und solche vorzusehen die leicht bedienbar, vom Inhalt aus leicht erkennbar und unmittelbar erreichbar sein müssen. Zudem wird in § 3b NetzDG ein Gegenvorstellungsverfahren eingeführt. Hiernach muss der Anbieter ein Verfahren durchführen, das es dem Beschwerdeführer wie auch dem Urheber des Inhalts ermöglicht, seine Position darzustellen und den Anbieter auf dieser Basis zu einer Prüfung zu verpflichten. Ferner müssen Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitschlichtung geschaffen werden. Zudem erhält der Verletzte nach § 14 Abs. 3 S. 2 Telemediengesetz einen eigenen Auskunftsanspruch gegen den Diensteanbieter, um die Daten des Nutzers, der den Beitrag eingestellt hat, in Erfahrung bringen zu können. 

Ausblick: Auch die geplanten Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes werden nicht verhindern, dass Diensteanbieter entsprechende Rechte von Verletzten und Nutzern weiterhin nur stiefmütterlich handhaben. Weiterhin wird es Betroffenen ohne rechtlichen Beistand kaum möglich sein, gegen rechtswidrige Inhalte im Internet effektiv vorzugehen. Dies würde sich wohl erst ändern, wenn die Maßnahmen gegen die Anbieter sozialer Medien ähnlich wie durch die Datenschutz-Grundverordnung drakonisch bestraft werden und ein Behördenapparat zur Verfolgung von Verstößen installiert wird. Nichtsdestotrotz sollte man rechtswidrige Online-Inhalte nicht hinnehmen. Das Internet vergisst bekanntlich nie. 

Ansprechpartnerin 
Dr. Karolin Nelles LL.M., Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main