Rumänien: Ablauf und Besonderheiten des rumänischen Insolvenzverfahrens

Auch wenn das Insolvenzrecht in Rumänien durchaus europäischen Gepflogenheiten entspricht, bestehen einige landestypische Besonderheiten. Die wichtigste gesetzliche Grundlage ist das Gesetz Nr. 85/2006 über das Insolvenzverfahren. Dieses Gesetz wurde in den letzten Jahren mehrfach modifiziert. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die es bei Eröffnung und beim Ablauf des Insolvenzverfahrens zu beachten gilt.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzverfahren kann aufgrund eines Antrags des Schuldners oder des Gläubigers eröffnet werden. Der sich in Insolvenz befindliche Schuldner muss einen Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens binnen 30 Tagen ab Eintritt des Insolvenzzustandes, also der Festellung der Zahlungsunfähigkeit, bei Gericht einreichen.

Jeder Gläubiger kann einen Insolvenzantrag stellen, wenn seine Forderung mindestens 45.000 RON (ca. 10.000 Euro) beträgt, tituliert (Titel: Gerichtsurteil, akzeptierte Rechnung, usw.), fällig seit mehr als 90 Tagen und unstrittig ist. Im Falle eines von einem Mitarbeiter gestellten Insolvenzantrages muss die Höhe der Forderung mindestens 6 Monatsgehälter betragen (nationaler Durchschnitt für 6 Monatsgehälter beträgt derzeit ca. 3.000 Euro).

Ablauf des Insolvenzverfahrens
Das Gesetz bestimmt zwei Verfahren: ein allgemeines und ein vereinfachtes Verfahren.

Vereinfachtes Verfahren
Das vereinfachte Verfahren wird angewandt auf natürliche Personen sowie Gesellschaften,

  • die über kein Vermögen verfügen oder deren buchhalterischen Unterlagen oder deren Gründungsunterlagen nicht gefunden werden können,
  • deren Sitz der Eintragung im Handelsregister nicht entspricht oder deren Sitz nicht besteht,
  • deren Geschäftsführer untergetaucht ist,
  • die um die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ersucht haben und die nötigen Unterlagen in der im Gesetz erwähnten Frist nicht eingereicht haben,
  • die vor der Antragstellung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon aufgelöst sind, bzw. Gesellschaften, die selbst die Eröffnung des vereinfachten Verfahrens verlangt haben oder zum allgemeinen Verfahren nicht berechtigt sind.

Im Rahmen des vereinfachten Verfahrens wird unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Konkurs und die Liquidation des Schuldners beschlossen.


Allgemeines Verfahren
Im allgemeinen Verfahren werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verschiedene Maßnahmen getroffen:

  • Es wird ein Insolvenzverwalter bestellt, der die Durchführung der notwendigen Maßnahmen leitet.
  • Innerhalb einer Frist von 20 Tagen ab seiner Bestellung wird der Insolvenzverwalter entweder die Reorganisation oder Abwicklung bzw. Auflösung des Schuldners bzw. der entsprechenden Gesellschaft vorschlagen.
  • Es wird das Vermögen des Schuldners und es werden die Gläubiger ermittelt.
  • Falls der Konkurs beschlossen wird, wird die Liquidation des Vermögens des Schuldners durch einen Liquidator durchgeführt.

Weitere Regelungen zum Insolvenzrecht
Das Gericht kann Geschäfte, die der Schuldner bis zu 3 Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrügerisch zum Schaden der Gläubiger abgeschlossen hat, für nichtig erklären. U.a. können folgende Verträge für nichtig erklärt werden:

Unentgeltliche Verträge, mit Ausnahme von humanitären Hilfen,

  • Verträge, bei denen die Leistung des Schuldners offenbar größer ist als die Gegenleistung,
  • Geschäfte, bei denen alle Parteien die Veräußerung von Vermögensgegenständen zum Schaden der Gläubiger beabsichtigt haben,
  • Geschäfte mit einem Geschäftsführer oder mit einem Gesellschafter oder Aktionär, der mindestens 20 % des Gesellschaftskapitals hält, wenn diese zum Schaden der Gläubiger abgeschlossen wurden.

Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder des Liquidators kann das Gericht beschließen, dass ein Teil der Schulden des insolventen Schuldners von den Mitgliedern der Führungs- oder Aufsichtsgremien oder von einer anderen Person, die die Insolvenz herbeigeführt hat, beglichen wird. Dies kann zum Beispiel verfügt werden, wenn die o.a. Personen durch verschiedene, vom Gesetz bestimmte betrügerische Mittel die Insolvenz herbeigeführt haben.

Vor diesem Hintergrund kann der Versuch, Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in Anspruch zu nehmen, nicht ausgeschlossen werden. Vorgeworfen wird in diesem Zusammenhang, Einfluss auf die Geschäftsführung genommen zu haben, wodurch die Insolvenzantragstellung verzögert oder gar erst die Insolvenzlage herbeigeführt wurde. Gesellschafter sollten daher bei Vorliegen einer finanziell angespannten Situation etwaige Äußerungen bedenken, um die bestehende Haftungsbeschränkung auf die Kapitaleinlage nicht zu gefährden.

Autoren:
Helge Schirkonyer (Bukarest)
Heinrich Nerlich (Osnabrück, Bukarest)