Polen: Vergütung von Überstunden bei leitenden Angestellten

Die Vergütung von Überstunden leitender Angestellter ist wie in vielen Ländern der Europäischen Union auch in Polen ein kontroverses Thema. Das Problem betrifft polnische und ausländische Führungskräfte, die in Polen beschäftigt sind, gleichermaßen.

Gesetzliche Bestimmungen
Nach Art. 129 § 1 des polnischen Arbeitsgesetzbuches (ArbGB) darf die reguläre Arbeitszeit eines Arbeitnehmers 8 Stunden pro Tag und durchschnittlich 40 Stunden pro Woche bei einer 5-tägigen Arbeitswoche in einer durchschnittlichen Abrechnungsperiode von bis zu vier Monaten nicht überschreiten. Diese Vorschrift findet grundsätzlich auf jedes Arbeitsverhältnis Anwendung, sofern nicht ein gesondertes Arbeitszeitsystem wie z.B. das System der gleichwertigen Arbeitszeit oder das System der Arbeit im Dauerbetrieb Anwendung findet.
Pro Kalenderjahr sind maximal 150 Überstunden erlaubt. Durch Tarifvertrag, die Arbeitsordnung oder den Arbeitsvertrag kann eine höhere Überstundenzahl festgelegt werden. Aber: Innerhalb eines Abrechnungszeitraums darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht über 48 Stunden hinausgehen. Hiervon ausgenommen sind Arbeitnehmer in leitenden Positionen.
Nach Art. 151 § 1 ArbGB sind Überstunden in folgenden Fällen zulässig:

  • bei Notwendigkeit der Durchführung einer Rettungsaktion mit dem Ziel des Schutzes menschlichen Lebens oder menschlicher Gesundheit, des Schutzes von Vermögen oder der Umwelt oder zur Beseitigung eines Schadens und
  • wenn besondere Bedürfnisse des Arbeitgebers vorliegen.

Eine Vergütung von Überstunden bei leitenden Angestellten sieht das polnische Arbeitsrecht grundsätzlich nicht vor. Dieser Grundsatz ist in Art. 1514 ArbGB festgelegt. Danach steht Arbeitnehmern, die für den Arbeitgeber den Betrieb oder einzelne Organisationseinheiten leiten, ein Anspruch auf Vergütung der Überstunden nicht zu, wenn diese ihre Tätigkeit bei Bedarf außerhalb der regulären Arbeitszeiten erbringen. Eine Ausnahme gilt bei Leitern einzelner Organisationseinheiten für Überstunden, die an Sonn- und Feiertagen erbracht werden. Diese Ausnahme greift nicht, wenn im Gegenzug ein entsprechender Freizeitausgleich gewährt wird (1514 § 2 ArbGB).
Den Betrieb leitende Angestellte im Sinne des Art. 128 ArbGB sind:

  • Arbeitnehmer und ihre Stellvertreter, die den Betrieb allein leiten
  • Arbeitnehmer, die einem Kollegialorgan angehören, das den Betrieb leitet
  • Hauptbuchhalter

Der Begriff „Leiter einer gesonderten Organisationseinheit“ ist im ArbGB nicht definiert. Nach Rechtsprechung und Rechtslehre trägt der Leiter einer gesonderten Organisationseinheit die Verantwortung für diesen Bereich und ist gegenüber den Mitarbeitern des Bereichs weisungsbefugt. Ebenso darf die Tätigkeit des Leiters nicht mit den Aufgaben der ihm unterstehenden Arbeitnehmer vergleichbar sein. Entsprechend darf auch die Vergütung eines leitenden Angestellten nicht geringer sein als Basis- und Überstundenvergütung der übrigen Arbeitnehmer.
Die Auslegung von Art. 1514 ArbGB ist insbesondere hinsichtlich der Formulierung „bei Bedarf“ problematisch. Der Oberste Gerichthof vertritt in vielen Fällen die Auffassung, dass den leitenden Angestellten ein Anspruch auf Überstundenvergütung samt Zuschlag zusteht. Voraussetzung ist eine nicht im Verantwortungsbereich der Führungskräfte liegende mangelhafte Arbeitsorganisation, die diese dazu zwingt, systematisch Überstunden zu leisten (z.B. Urteil des Obersten Gerichthofs vom 6. April 2011, Aktenzeichen: II PK 254/10). Eine „Notwendigkeit” der Überstunden kann dabei keinen dauerhaften Charakter haben.

Praxisbeispiel
Wie komplex das Thema ist, wird am folgenden Rechtsstreit deutlich, den Sdzlegal Schindhelm Wroclaw für ein internationales Unternehmen der Elektronikbranche geführt hat:
Die Klägerin, eine ehemalige Leiterin der Personalabteilung, die in der Gründungsphase für das Unternehmen in Polen tätig war, verklagte die Gesellschaft auf Zahlung von 180.000 PLN – umgerechnet rund 45.000 EUR – als Vergütung für geleistete Überstunden. Nach ihrer Auffassung war die Personalabteilung des Unternehmens zum Zeitpunkt der Gründungsphase mit dreizehn Arbeitnehmern unterbesetzt. Die Klägerin argumentierte vor Gericht, sie sei aufgrund der mangelhaften Arbeitsorganisation und der entsprechenden Anweisungen ihrer ausländischen Vorgesetzten gezwungen gewesen, täglich mindestens zwei Überstunden zu leisten.
Sie führte zahlreiche frühere Mitarbeiter des Unternehmens als Zeugen an. Als weiteres Beweismittel legte die Klägerin dem Gericht Unterlagen vor, die sie ohne Zustimmung ihres früheren Arbeitsgebers aus dem Unternehmen entfernt hatte. Darunter Ausdrucke von E-Mails, die sie zum Zeitpunkt der Erbringung der Überstunden versendet hatte.
Die beklagte Gesellschaft berief ihrerseits Arbeitnehmer als Zeugen, die vor Gericht Auskunft über die im Unternehmen geltende Handhabung von Überstunden gaben. Danach wurde die Klägerin vor Aufnahme ihrer Tätigkeit darauf hingewiesen, dass sich die Gesellschaft in der Gründungsphase befand und daher mit einem höheren Arbeitsanfall in der Personalabteilung zu rechnen sei. Des Weiteren wurde die Klägerin über die Bedingungen der Tätigkeit schriftlich informiert. Laut diesen Bestimmungen stand den leitenden Angestellten der Gesellschaft kein Anspruch auf Zusatzvergütung für Überstundenarbeit oder ein Zuschlag zu. Bei der Beklagten ist darüber hinaus für alle Mitarbeiter vorgeschrieben, dass Überstunden schriftlich angeordnet und durch die jeweiligen Vorgesetzten genehmigt werden müssen. Diese Vorgehensweise, die durch die Personalabteilung mit eingeführt wurde, wurde im Unternehmen von allen Arbeitnehmern mit Ausnahme der Klägerin befolgt.

Die beklagte Gesellschaft argumentierte, dass die Überstunden der Klägerin mit dem regulären monatlichen Gehalt in Höhe von 20.000 PLN – umgerechnet 5.000 EUR –, Zuschlag und zusätzlichen Leistungen wie Krankenversicherung und Dienstwagen abgegolten seien. Ergänzend wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin ihre Arbeit anders als ihr Vorgänger organisiert habe, zum Beispiel habe sie den Mitarbeitern ihrer Abteilung weniger Aufgaben als möglich zugewiesen.

Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass die Klägerin ihren Anspruch auf Überstundenvergütung nicht beweisen konnte. Die Klage wurde abgewiesen. Als Begründung führte das Gericht aus, dass die Überstunden der Klägerin nicht durch eine von der Beklagten zu verantwortende mangelhafte Arbeitsorganisation verursacht worden waren. Die der Klägerin obliegenden Aufgaben konnten vielmehr innerhalb eines 8-stündigen Arbeitstages geleistet werden. Ebenso habe die Klägerin schriftlich bestätigt, von der Beklagten über die interne Handhabung und Vergütung von Überstunden informiert worden zu sein. Nach Auffassung des Gerichts war der Klägerin daher bekannt, dass die Überstunden ohne Anspruch auf Zusatzvergütung und einem Zuschlag für Überstundenarbeit nach Art. 1514 § 1 ArbGB erbracht werden mussten.
Auch die Berufung der Klägerin wurde durch das Berufungsgericht unter Hinweis auf die in diesem Fall korrekt erfolgte Anwendung des Art. 1514 ArbGB abgewiesen.

Fazit
Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens war, dass die Beklagte die im Unternehmen geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Überstunden schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Klägerin schriftlich festgehalten und im weiteren Verlauf auf die konsequente Einhaltung der Regelung, dass Überstunden schriftlich anzuordnen und zu genehmigen sind, geachtet hatte.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die sorgfältige Vorbereitung eines entsprechenden Arbeitsvertrages mit dem Manager und eine strenge Beachtung der internen Regeln über die schriftliche Anordnung und Genehmigung von Überstunden unumgänglich ist, um etwaige Ansprüche der leitenden Angestellten im Voraus auszuschließen. Darüber hinaus ist eine dem Charakter der geleisteten Arbeit entsprechende Vergütung (auch als Kompensationszuschläge) unentbehrlich. Werden diese Grundsätze nicht befolgt, kann dem Arbeitgeber die Arbeit der leitenden Angestellten teurer zu stehen kommen als anfangs gedacht.

Autor:
Wojciech Zając (Breslau)