Polen: Die Anwendbarkeit von Schiedsgerichtsvereinbarungen im Insolvenzverfahren

Die schlechte wirtschaftliche Lage in Europa treibt die Zahl der Firmeninsolvenzen weiter nach oben. Auch in Polen werden immer mehr Insolvenzen durch Unternehmen angemeldet. Das polnische Insolvenzrecht ist in dem Gesetz vom 28. Februar 2003 – das Insolvenz- und Sanierungsrecht – geregelt, das am 1. Oktober 2003 in Kraft getreten ist. Ergänzend gelten in Polen die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 DES RATES vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, die auf grenzüberschreitende Insolvenzen Anwendung findet.

Im Falle der Insolvenz eines polnischen Unternehmens stehen Geschäftspartner aus anderen EU-Ländern vor zahlreichen Herausforderungen. Von zentraler Bedeutung ist unter anderem, ob sie sich bei einer streitigen Auseinandersetzung auf eine Schiedsgerichtsvereinbarung berufen können oder nicht.

Gemäß Art. 15 der Verordnung des Rates (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren gilt für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Art. 15 der Verordnung Nr. 1346/2000 findet jedoch nur dann Anwendung, wenn das Verfahren auf dem Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats geführt wird und wenn das Verfahren einen Gegenstand der Masse betrifft.

In Art. 15 der Verordnung ist weiterhin geregelt, dass das Prozessrecht des mit dem insolventen Schuldner anhängigen Verfahrens die Rechtsfolgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wie z.B. Aussetzung oder Einstellung des Verfahrens bestimmt. Im polnischen Recht sind Fragen, die das Schiedsverfahren betreffen, in Art. 1154 ff. der polnischen Zivilprozessordnung geregelt. Diese allgemeinen Vorschriften der polnischen Zivilprozessordnung über das ordentliche Verfahren finden dann Anwendung, wenn keine anderen Bestimmungen greifen. Ergänzend hierzu auch Art. 174 der polnischen Zivilprozessordnung, der die Frage einer Einstellung regelt.

Auswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf ein anhängiges Schiedsverfahren regeln Art. 142 und Art. 147 des polnischen Insolvenz- und Sanierungsrechts. Die oben genannten Vorschriften sind inhaltlich identisch, wobei Art. 142 eine Sanierungsinsolvenz und Artikel 147 eine Liquidationsinsolvenz betrifft. Nach diesen Vorschriften wird eine vom insolventen Schuldner vorgenommene Schiedsgerichtsvereinbarung ab dem Tag der Insolvenzeröffnung unwirksam und die bereits anhängigen Verfahren werden eingestellt (nicht ausgesetzt, wie andere Arten von Verfahren). Dies erfolgt aber nicht kraft Gesetzes, sondern aufgrund einer Entscheidung des Schiedsgerichts. Ergeht trotz Insolvenzeröffnung das Schiedsurteil, kann dieses mit einer Nichtigkeitserklärungsklage aufgehoben werden (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 23. September 2009, Az. I CSK 121/09).

Im Falle einer Einstellung des Schiedsverfahrens wegen der Insolvenzeröffnung kann der Insolvenzverwalter die Forderung gegen den Schuldner vor dem ordentlichen Gericht geltend machen. Diese Befugnis des Insolvenzverwalters ist durch den Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Dieser stellte des Weiteren fest, dass der Beklagte im Falle der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach Art. 142 und 147 des polnischen Insolvenz- und Sanierungsrechts nicht die Einrede der Schiedsvereinbarung aus Art. 1165 § 1 polnischen Zivilprozessordnung erheben darf (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. März 2009, Az.VCSK390/08).

In der polnischen Rechtslehre wird aber auch die Meinung vertreten, dass Art. 15 der Verordnung auf Schiedsverfahren keine Anwendung finden soll. In diesem Fall wird lex arbitri angewendet, d.h. das Recht des Staates des Schiedsortes. Die Schiedsrichter sind verpflichtet, die zwingenden Normen des Schiedsortes zu beachten. Darunter fallen unter anderem die Regeln, welche die Auswirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestimmen. In diesem Fall werden daher auch Art. 142 und Art. 147 des polnischen Insolvenz- und Sanierungsrechts angewandt.

Konrad Schampera (Breslau)