Online-Marktplatzbetreiber haften für die Markenrechtsverletzungen von Drittanbietern (zum bahnbrechenden Urteil des EuGH im Fall Louboutin, Entscheidung vom 20.12.2022)

Inhalt:

  • Zum Inhalt der Entscheidung
  • Was ändert sich durch die Entscheidung für Online-Marktplatzbetreiber und Markeninhaber?

Die Frage der Haftung der Betreiber von Online-Marktplätzen für Rechtsverstöße der von ihnen präsentierten Anbieter beschäftigt die Gerichte schon seit Jahrzehnten. Nun hat der EuGH ein wegweisendes Urteil zu der Frage gefällt, unter welchen Umständen solche Betreiber für Markenrechtsverstöße eines Anbieters haften.

1. Zum Inhalt der Entscheidung

Der französische Modedesigner Christian Louboutin, insbesondere bekannt für hochhackige Schuhe mit markenrechtlich geschützter roter Sohle, wendete sich klageweise gegen den Online-Marktplatzanbieter Amazon. Auf der besagten Plattform erschienen zuvor regelmäßig Verkaufsanzeigen von Drittanbietern für rotbesohlte Schuhe, die dem Designer zufolge ohne seine Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden.

In den gegen Amazon vor belgischen und luxemburgischen Gerichten eingeleiteten Verfahren wurde dem EuGH schließlich die haftungsrelevante Frage vorgelegt, ob Amazon die Louboutin-Marke(n) selbst benutzt. Amazon hatte im konkreten Fall die streitgegenständlichen Werbeanzeigen der Drittanbieter mit eigenen Werbeanzeigen vermischt und auf sämtliche Werbeanzeigen das eigene Logo aufgebracht. Darüber hinaus bot Amazon Drittanbietern Unterstützung bei der Erstellung von Werbeanzeigen, bei der Preisfestsetzung, der Lagerung und dem Versand der Waren an und versah einige der Werbeanzeigen mit Bezeichnungen wie „Bestseller“ oder „am häufigsten gewünscht“.

Der EuGH ordnete solche für die Drittanbieter erbrachten Serviceleistungen als potenziell ausreichend ein, um von einer eigenen markenrechtlich relevanten Benutzungshandlung des Marktplatzbetreibers auszugehen. Entscheidend sei laut des Gerichtshofs, ob durch die Art der Bewerbung der Waren eine Verbindung zum Plattformbetreiber hergestellt wird, die bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Benutzer den Eindruck erweckt, es handele sich bei den angepriesenen Waren um solche, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung des Plattformbetreibers vertrieben werden. Ob ein solcher Eindruck im vorgelegten Fall tatsächlich entstanden ist, müssen nun wiederum die nationalen Gerichte entscheiden  ̶  vieles spricht jedoch dafür.  

2. Was ändert sich durch die Entscheidung für Online-Marktplatzbetreiber und Markeninhaber?

Aus Sicht eines Online-Marktplatzanbieters ist nunmehr erhöhte Vorsicht geboten. Er muss die richtige Balance finden, den Absatz auf seinem Marktplatz zu fördern und die Anbieter hierbei zu unterstützen, jedoch dabei nicht selbst Gefahr zu laufen, für deren Waren und Werbung verantwortlich zu sein. Es besteht zudem die Gefahr, dass Markeninhaber nun bevorzugt gegen die im Regelfall solventeren und besser „greifbaren“ Plattformen vorgehen werden. Erscheinen Angebote von Drittanbietern im Gewand eigener Angebote des Betreibers, sodass für Verbraucher ein Unterschied kaum festzustellen ist, ist die Tür in eine unmittelbare Haftung für Marken- und mutmaßlich auch weitere Schutzrechtsverstöße nun höchstrichterlich aufgestoßen. Marktplatzbetreiber sollten daher den eigenen Online-Auftritt dahingehend untersuchen, ob eine für den Konsumenten leicht erkennbare Unterscheidung zwischen eigenen und Drittanbieterangeboten möglich ist. Dies gilt nicht nur für Verkaufsangebote selbst, sondern insbesondere auch schon für Werbeanzeigen oder für anderweitig auf der Plattform hervorgehobene Angebote von Drittanbietern. Es mag auch hilfreich sein, erhöhte Filter einzusetzen und insoweit das Angebot an rechtswidrig angebotenen Waren von vornherein einzudämmen.

Ansprechpartner/-in:
Julian Benner, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück
Dr. Karolin Nelles LL.M., Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt