Österreich: Vertrauenswürdigkeit durch Unterlassung einer Kontaktaufnahme während des Krankenstandes

Verfügbarkeit im Krankenstand
Das Verhalten von Dienstnehmern im Krankenstand gibt immer wieder Anlass zur Diskussion und zu Entwicklungen in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. In der Entscheidung zu 9 ObA 115/13x vom 26.11.2013 beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage, inwieweit eine unterlassene Kontaktaufnahme des Arbeitnehmers während des Krankenstandes eine Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG – und damit einen Entlassungsgrund – begründet. Es geht also um die Frage, inwiefern der Arbeitnehmer auch während seines Krankenstandes verpflichtet ist, dem Arbeitgeber für bestimmte Auskünfte und Informationen zur Verfügung zu stehen.

Sachverhalt
Im entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt war zu beurteilen, ob die Klägerin einen Entlassungsgrund gesetzt hat, indem sie sich aufgrund psychischer Probleme weigerte, mit dem Dienstgeber während ihres mehrmonatigen Krankenstandes in Kontakt zu treten. Die Klägerin war als Sekretärin und Sachbearbeiterin in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt. Aufgrund von Depressionen, einem Burn-out-Syndrom und Belastungsstörungen war die Dienstnehmerin mehrere Monate in psychotherapeutischer Behandlung und längerfristig nicht in der Lage, ihre Arbeit beim Dienstgeber auszuführen. Nach den Angaben der Dienstnehmerin resultierte das Krankheitsbild im Wesentlichen aus der Zusammenarbeit mit einem konkreten Vorgesetzten der Kanzlei. Mit diesem Vorgesetzen hätte die Dienstnehmerin zur Weitergabe von Informationen in Verbindung treten sollen. Es wurde nicht nur ein persönlicher Kontakt im Rahmen eines Gespräches in der Kanzlei über dringende Themen verweigert, sondern auch eine telefonische Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber war über einen längeren Zeitraum nicht möglich. In diesem Fall war aber gerade der vom Arbeitgeber gewünschte Kontakt zum männlichen Kanzleipartner für die Dienstnehmerin aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar. Die Dienstnehmerin empfand bestimmte Weisungen des männlichen Kanzleipartners als Schikane.

Treuepflicht/Pflichtverletzung
Ein solches Verhalten stellt grundsätzlich eine beharrliche Verletzung von Dienstpflichten und der aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Treuepflicht dar. Für die Verwirklichung des Entlassungstatbestandes des § 27 Z1 AngG reicht laut OGH auch schon bloße Fahrlässigkeit aus.

Treuepflicht des Arbeitnehmers
Viele der Arbeitnehmerpflichten haben ihren Ursprung in der für ein Arbeitsverhältnis immanenten Treuepflicht. Die Treuepflicht ist neben der Arbeitspflicht die zweite Hauptpflicht eines Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die unternehmerischen Interessen des Arbeitgebers bestmöglich zu wahren und hat folglich alles zu unterlassen, um den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und Chancen (good will), von denen der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit Kenntnis erlangt hat, nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Praktische Relevanz hat die Treuepflicht vor allem hinsichtlich der Entlassung eines Arbeitnehmers wegen Verletzung der Treuepflicht nach § 27 Z1 AngG. Der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z1 letzter Fall AngG erfasst Handlungen oder Unterlassungen eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind.

Interessenabwägung
Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit und ob der Arbeitgeber befürchten muss, dass seine Angelegenheiten durch den Arbeitnehmer gefährdet seien, ist ein objektiver Maßstab anzulegen und nicht auf das subjektive Empfinden des konkreten Arbeitgebers abzustellen. Dies kann auch bei einmaligen Ereignissen der Fall sein. Im Falle eines Krankenstandes hat sich der Dienstnehmer so zu verhalten, dass die Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird. Ein Dienstnehmer darf die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand nicht betont und offenkundig verletzen. Schon die Eignung des Verhaltens, den Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen oder den Heilungsprozess zu verzögern, kann Vertrauensunwürdigkeit begründen.

Ergebnis
Der OGH ist in seiner Entscheidung zum Ergebnis gekommen, dass der Dienstnehmer im Krankenstand dem Dienstgeber zur Verfügung stehen muss, wenn dies ansonsten zu einem wirtschaftlichen Schaden des Dienstgebers führen würde, und die Beanspruchung des Dienstnehmers den Genesungsprozess nicht beeinträchtigt. Im gegenständlichen Fall konnte der Dienstgeber nicht darlegen, wie wichtig die Angelegenheit war und warum aus den fehlenden Informationen ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Der Entlassungsgrund konnte daher vom Dienstgeber nicht nachgewiesen werden.



Autoren: Alois Hutterer (Wels) & Roland Heinrich (Wels)


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