Neuordnung des EU-Markenrechts – die Unionsmarkenverordnung

Mit Wirkung zum 23. März 2016 ist die EU-Markenverordnung (Unionsmarkenverordnung – UMV) in Kraft getreten. Neben Änderungen der Markenterminologie und der Gebührenstruktur, der Einführung einer neuen Unionsgewährleistungsmarke und einigen Detailänderungen zum Markenschutz, sind auch Neuregelungen zur Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen geschaffen worden, die auch rückwirkend gelten.

1. Ziel der Reform

Hauptziel der Reform ist die Schaffung eines effizienteren und beschleunigten Systems. Dies soll u.a. durch die Einführung von Verfahrensvereinfachungen und die Umwandlung der institutionellen Struktur des Amtes in eine dezentrale Agentur gewährleistet werden. Darüber hinaus ist durch die Kodifizierung der bisherigen Rechtsprechung eine erhöhte Rechtssicherheit geschaffen worden.

2. Neue Terminologie

Mit Wirkung seit dem 24. März 2016 ist die Gemeinschaftsmarke durch die „Unionsmarke“ ersetzt worden und die Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) durch die „Unionsmarkenverordnung (UVM)“. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) trägt nunmehr den Titel „Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum“. Durch die Schaffung einer „Agentur der Union“ wird die erhöhte Bedeutung der Kommission und des Parlaments für das Amt widergespiegelt.

3. Neue Anforderungen an den Inhalt des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses

In Reaktion auf das Urteil des EuGH „IP-Translator“ vom 22. Juni 2012 sind Neuregelungen zur Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen verabschiedet worden, für die die Unionsmarke künftig angemeldet werden kann. Bis dahin herrschte aufgrund der unterschiedlichen Betrachtungsweise der nationalen Markenämter betreffend die Angaben in der Nizzaer Klassifikation eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Die Nizzaer Klassifikation enthält insgesamt 45 Waren- und Dienstleistungsklassen, für die die anzumeldende Marke geschützt werden kann. In jeder Klasse finden sich in der Klassifikation Oberbegriffe in der Überschrift und im Anschluss folgt die Aufzählung einer Vielzahl von einzelnen Waren oder Dienstleistungen. In den meisten EU-Mitgliedstaaten, u. a. auch in Deutschland, gewährten die Markenämter bei Verwendung nur der Klassenüberschriften auch lediglich Schutz für diejenigen Waren oder Dienstleistungen, die von den Klassenüberschriften konkret erfasst worden sind. Es war daher notwendig, neben den Überschriften alle Waren und Dienstleistungen im Einzelnen mit im Verzeichnis aufzuführen.

Einige Markenämter, darunter das HABM, haben hingegen bei der Auflistung nur der Überschriften einen umfassenden Schutz für alle Waren bzw. Dienstleistungen der betroffenen Klasse angenommen. Zur Vereinheitlichung fordert die neue UnionsmarkenVO daher, dass alle Waren und Dienstleistungen einzeln aufgeführt werden müssen.

Im Vorfeld hat das HABM u. a. in Zusammenarbeit mit den Ämtern der Mitgliedstaaten die sogenannten „Class Scopes“, d. h. besondere Zusammenfassungen der Klassen mit dem Ziel entwickelt, hierunter alle, in der jeweiligen Klasse enthaltenen Waren oder Dienstleistungen zu erfassen.

Praxistipp:

Im ersten Schritt sollten daher die Inhalte der „Class Scopes“ in das Verzeichnis aufgenommen werden sowie zusätzlich sowohl die Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation als auch die wichtigsten Waren und Dienstleistungen im Einzelnen.

Übergangsfrist:

Für alle Gemeinschaftsmarken, die vor dem 22. Juni 2012 angemeldet wurden, können nun innerhalb einer Übergangsfrist bis zum 24. September 2016 die bestehenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse an die neue Rechtslage angepasst werden.

Praxistipp:

Inhaber von Gemeinschaftsmarken, die ihre Gemeinschaftsmarke vor dem 22. Juni 2012 angemeldet haben, sollten daher ihren Gemeinschaftsmarkenbestand einer dezidierten Prüfung unterziehen und etwaige Oberbegriffe durch die betreffenden Waren und Dienstleistungen ersetzen. Dies dürfte für eine Vielzahl von Dachmarken relevant sein.

4. Änderung der Kostenstruktur

Zwar wurde die Anmeldegebühr von EUR 975,00 auf EUR 850,00 abgesenkt. Allerdings war es bisher möglich, hierfür bis zu drei Klassen schützen zu lassen und erst ab der vierten Klasse sind pro Klasse weitere EUR 175,00 angefallen. Nunmehr ist nur noch eine Klasse abgedeckt und für die zweite Klasse sind EUR 50,00 zu entrichten sowie für die dritte und jede weitere Klasse jeweils EUR 150,00. Die amtlichen Widerspruchs-, Löschungs- und Beschwerdegebühren sind ebenfalls geringfügig reduziert worden.

Besonders erfreulich ist die erhebliche Absenkung der Verlängerungsgebühren, die nunmehr der Höhe nach identisch sind mit den Anmeldegebühren. Im bisherigen Gebührensystem betrugen die Verlängerungsgebühren EUR 1.350,00 für bis zu drei Klassen und EUR 400,00 für jede weitere Klasse. Dies ist sehr zu begrüßen, weil der Ansatz der höheren Verlängerungsgebühren amtsseitig mit der Werthaltigkeit der zu verlängernden Marke begründet worden ist, obwohl der Wert der Marke allein durch den Markeninhaber geschaffen worden ist.

Die Verlängerungsgebühren sind allerdings zukünftig taggenau spätestens zum Ablaufdatum der Registrierung zu entrichten und nicht mehr bis zum letzten Tag des Monats, in dem der Schutz abläuft.

Praxistipp:

Es ist daher empfehlenswert, die Zahlungsfristen als starre Notfristen zu notieren.

5. Rechercheberichte nur noch auf Anforderung

Zukünftig wird bei der Anmeldung einer Unionsmarke nur noch auf Antrag und nicht wie bisher unaufgefordert ein Recherchebericht über ältere Unionsmarken erstellt. Dies soll zu einer erheblichen Beschleunigung des Anmeldeverfahrens führen. Auch dies ist im Sinne der Vereinheitlichung dringend angezeigt, da bei den nationalen Marken bisher die Markeninhaber auch selbst und auf eigene Kosten für einen umfassenden Kollisionsschutz sorgen müssen.

Praxistipp:

Auch für Unionsmarken sollte künftig ein umfassender Kollisionscheck durchgeführt werden.

6. Wegfall des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit

Ab dem 1. Oktober 2017 ist es nicht mehr erforderlich, dass eine Unionsmarke grafisch darstellbar ist. Das Zeichen muss lediglich geeignet sein, unter Anwendung von üblichen Technologiestandards in einer Weise dargestellt werden zu können, dass sein Schutzbereich klar und eindeutig bestimmt werden kann. Dies soll den Registerschutz für alle Markenformen, wie beispielsweise auch Hologramme, bewegte Bilder oder Geruchsmarken eröffnen und ist daher ebenfalls zu begrüßen.

7. Neu: Die Unionsgewährleistungsmarke

Ebenfalls zum 1. Oktober 2017 wird die sogenannte Unionsgewährleistungsmarke für Zeichen, die bestimmten Gewährleistungsanforderungen genügen, wie z. B. Gütesiegel, eingeführt. Der Inhaber der Marke muss für das mit der Marke versehene Produkt eine Gewährleistung für dessen Material, die Art und Weise der Herstellung oder die Erbringung der unter der Marke angebotenen Dienstleistungen gewährleisten können. Für die Eintragung einer Gewährleistungsmarke bedarf es daher der Hinterlegung einer Satzung, in der die Nutzungsbedingungen der Unionsgewährleistungsmarke festgelegt sind.

Praxistipp:

Die wesentlichen Produkte oder Dienstleistungen sollten direkt nach Inkrafttreten als Unionsgewährleistungsmarke eingetragen werden, um sich zügig einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.

8. Widerspruchs- und Löschungsverfahren

Widerspruchsverfahren und Löschungsverfahren wegen Nichtbenutzung werden nun europaweit bei den Ämtern durchgeführt. Deutsche Löschungsverfahren müssen daher nicht mehr beim Zivilgericht eingereicht werden.

9. Erweiterungen des Schutzumfanges

Inhaber einer Unionsmarke können Dritten künftig auch die Benutzung der Marke als Handels- oder Unternehmensname untersagen. Geographische Angaben, Ursprungsbezeichnungen sowie traditionelle Bezeichnungen für Weine erhalten ebenso einen größeren Schutzumfang wie bekannte Marken. Darüber hinaus können Unionsmarken nun auch gegen sogenannte Transitwaren durchgesetzt werden. Bereits im Vorfeld können schließlich markenverletzenden Vorbereitungshandlungen wie die Anbringung von Marken auf Verpackungen oder Etiketten untersagt werden.

10. Ausblick

Das Ziel der Reform, ein effizienteres System u. a. durch die Umwandlung des Amtes in eine dezentrale Agentur zu schaffen, ist ebenso zu begrüßen, wie die Vereinheitlichung der Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse, die Gebührenanpassung und die Abschaffung des Kriteriums der grafischen Darstellbarkeit der Unionsmarke. Die neue Unionsgewährleistungsmarke eröffnet durch die Schaffung eines Gütesiegels neue Möglichkeiten zur Herausstellung der besonderen Merkmale des jeweiligen Produktes, das den Wettbewerbsvorteil begründet. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Verfahren künftig tatsächlich effektiver und schneller bearbeitet werden.

Ansprechpartnerin

Viola Rust-Sorge, Rechtsanwältin, Hannover