Neues Kaufrecht ab 2022 – Handlungsbedarf bei AGB

Zur Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie hat der Bundestag am 25. Juni 2021 das Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags (BGBl. I S. 2133) sowie das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (BGBl. I S. 2123) verabschiedet.

Die neuen Regelungen gelten für alle Kaufverträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden. Sie tragen dem vermehrten Angebot an Produkten mit digitalen Funktionen Rechnung und sorgen insbesondere für einen objektiven Standard hinsichtlich der Beschaffenheit von Waren.

1. Was gilt künftig als Sachmangel?

Zentrale neue Regelung ist die Definition eines Sachmangels in § 434 BGB n. F.: Wurde der Sachmangel bisher subjektiv anhand des Fehlens der vereinbarten Beschaffenheit bestimmt, muss die Kaufsache nunmehr auch objektiven Standards genügen. Um weiterhin eine einheitliche Bestimmung eines Sachmangels zu haben, gilt diese Regelung nicht nur für Kaufverträge mit Verbrauchern, sondern auch für solche mit Unternehmern.

Zu den subjektiven Bedingungen gehören:

  • die vereinbarte Beschaffenheit,
  • die nach Vertrag vorausgesetzte Verwendung sowie
  • die Übergabe mit vereinbartem Zubehör und Anleitungen.

Die objektiven Bedingungen sind:

  • die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung,
  • die übliche und erwartungsgemäße Beschaffenheit,
  • die Übereinstimmung mit einer zur Verfügung gestellten Probe oder einem Muster sowie
  • die Übergabe samt Zubehör (insbesondere Verpackung und Anleitungen, ggf. zur Montage und Installation)

Nur wenn die subjektiven und objektiven Voraussetzungen erfüllt sind, liegt kein Sachmangel vor. Selbst bei Vorliegen der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit kann eine Sache in Zukunft also mangelhaft sein, wenn sie nicht über die objektiv zu erwartenden Eigenschaften verfügt. Welchen objektiven Anforderungen die Ware genügen muss, kann zum Beispiel anhand von Äußerungen des Verkäufers, Werbung oder Angaben auf dem Etikett oder in der Gebrauchsanweisung wie auch der Bezeichnung der Ware ermittelt werden. Ferner gilt die Warenlieferung in Zukunft bereits dann als unvollständig und somit mangelhaft, wenn Gebrauchs- und/oder Installationsanweisungen fehlen.

Zur Festlegung des objektiven Standards empfiehlt es sich, die generellen Eigenschaften des Produkts vertraglich festzuhalten. Neben der Auflistung der vorhandenen Merkmale eines Produkts zählt hierzu auch eine Negativliste der fehlenden Merkmale. Letztlich kann dies zur Ermittlung der objektiven Eignung und Beschaffenheit jedoch nur einen Anhaltspunkt bieten. Denn daneben wird es darauf ankommen, was ein durchschnittlicher Käufer vom Produkt erwarten durfte.

Vertraglich abgewichen werden von der neuen Definition des Sachmangels kann im B2B-Bereich. Bei Vereinbarungen gegenüber Verbrauchern können die objektiven Anforderungen nur ausgeschlossen werden, soweit der Verbraucher ausdrücklich über das Fehlen in Kenntnis gesetzt und die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Eine pauschale Regelung in den AGB ist nicht ausreichend. Es bedarf insoweit einer gesonderten Bestätigung des Verbrauchers, z. B. durch einen fettgedruckten Hinweis am Ende des Bestellprozesses, der durch Klick oder Unterschrift gesondert bestätigt werden muss. Der Verbraucher soll hierdurch in die Lage versetzt werden, eine bewusste Entscheidung zu treffen.

2. Welche Neuregelungen gibt es beim Verbrauchsgüterkauf?

2.1  Verlängerung der Verjährungsfrist

Die zweijährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche wird insoweit verlängert, als die Verjährung nicht vor Ablauf von vier Monaten nach Auftreten des Mangels und von zwei Monaten nach Übergabe einer ersetzten oder reparierten Sache eintritt (§ 475e Abs. 3 und 4 BGB n. F.). In solchen Konstellationen beträgt die Verjährungsfrist somit 28 bzw. 26 Monate. Die Regelungen sollen sicherstellen, dass Verbrauchern genügend Zeit zur Geltendmachung von Mängelansprüchen zur Verfügung steht.

2.2  Erweiterte Beweislastumkehr

Während nach bisherigem Recht zudem für 6 Monate vermutet wurde, dass ein innerhalb dieser Zeit auftretender Mangel auch bei Gefahrübergang vorhanden war, gilt diese Vermutung nunmehr für ein Jahr. Nur beim Tierkauf verbleibt es bei den 6 Monaten. Diese Regelung in § 477 BGB n. F. erleichtert dem Verbraucher ebenfalls die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen.

2.3  Entbehrliche Fristsetzung bei Rücktritt und Schadensersatz

Bei den Gewährleistungsansprüchen wird die Pflicht des Käufers zur Fristsetzung, um vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu fordern, abgeschafft. Bereits mit der bloßen Mitteilung des Mangels gegenüber dem Verkäufer wird eine angemessene fiktive Frist zur Nacherfüllung in Gang gesetzt.

Hierbei verbleibt es jedoch bei dem grundsätzlichen Wahlrecht des Käufers zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung. Hat der Käufer sich dazu nicht geäußert, ist ungeklärt, ob der Verkäufer hier um Mitteilung bitten muss oder ob die fiktive Frist erst mit Ausübung des Wahlrechts zu laufen beginnt.

2.4  Aktualisierungs- und Updatepflicht bei Produkten mit digitalen Elementen

Eine gesetzlich neue Warengruppe bilden die Produkte mit digitalen Elementen. Hierzu zählen solche Waren, deren Funktionsfähigkeit von ihren digitalen Bestandteilen abhängt. Beispiele sind das Smartphone, Saugroboter oder smarte Fitnessgeräte.

Ab Januar 2022 schuldet der Verkäufer eines solchen Produkts nicht nur die Ware selbst, sondern auch auf seine Kosten durchzuführende Aktualisierungen, soweit diese für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind. Dies beinhaltet in jedem Fall Sicherheitsupdates, insbesondere, soweit es um den Schutz personenbezogener Daten geht. Eine solche Pflicht lässt sich gegenwärtig bereits aus der DSGVO herleiten (vgl. Art. 32 DSGVO). Nicht gefordert werden können sicherlich Updates, die zu Funktionserweiterungen führen, solange die bisher vorhandenen Funktionen auch ohne das Update nutzbar bleiben. Die Pflicht ist auch nicht abhängig davon, ob eine Netzwerkverbindung zu dem Gerät hergestellt werden kann oder nicht. Sie besteht für die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer des Produkts und läuft daher mindestens für die Dauer der Gewährleistungsfrist.

Fazit: 2022 erwartet uns mit vielen grundlegenden Rechtsänderungen im Zivilrecht. Prüfen Sie Ihre AGB und entfernen Sie veraltete Klauseln. Ergänzen Sie zudem neue Regelungen, um objektive Eigenschaften Ihrer Ware näher darzulegen und Inhalte und Umfang einer ggf. bestehenden Aktualisierungspflicht näher zu bestimmen. Auch Werbematerialien und Zusatzinformationen zu den Produkten sollten unter die Lupe genommen werden.

Ansprechpartner:
Dr. Karolin Nelles LL.M., Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt
Franz Flemming​​​​​​​, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück