Neue Regelungen zur Lieferkette – Handlungsbedarf für Unternehmen unabhängig von der Mitarbeiterzahl

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Die Einhaltung von Menschen- und Umweltrechten in einer globalen Lieferkette ist ohne Frage ein wichtiges Anliegen, dem sich der Gesetzgeber zu Recht zuwendet. Viele Vorfälle, wie der verheerende Brand in einer Textilfabrik 2012 in Bangladesch mit über 100 Toten, haben die Notwendigkeit einer rechtlichen Regelung deutlich gemacht.

Bereits im Jahr 2020 begannen die Arbeiten an einer europäischen Lieferkettenrichtlinie. Ein erster Entwurf wurde am 23. Februar 2022 vorgelegt. Sobald der Entwurf vom Europäischen Parlament und Rat gebilligt wird, haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze zu überführen. Mit einer zeitnahen europaweiten Umsetzung ist deshalb nicht zu rechnen.

Der deutsche Gesetzgeber prescht vor diesem Hintergrund nun voran und hat mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) einen nationalen Rechtsrahmen mit internationaler Auswirkung geschaffen, der bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft treten wird. Direkt erfasst vom unmittelbaren Regelungsbereich des LkSG sind zunächst nur Unternehmen mit regelmäßig mehr als 3.000 inländischen Mitarbeitern. Die Schwelle wird zum 1. Januar 2024 auf 1.000 Mitarbeiter abgesenkt.

Auswirkungen auf kleinere Unternehmen

Dass ein Unternehmen vom Anwendungsbereich des LkSG ausgenommen ist, bedeutet aber keinesfalls, dass es diesen Themenbereich ignorieren kann. Im Gegenteil: Fast sämtliche Unternehmen des deutschen Mittelstandes und auch diverse nicht-deutsche Unternehmen werden sich sehr bald mit dem LkSG auseinandersetzen müssen. Dies gilt zumindest, soweit sie direkt oder indirekt ein größeres Unternehmen beliefern, welches vom Regelungsbereich des LkSG erfasst ist. Denn das LkSG verpflichtet die größeren Unternehmen dazu, 

  • bei der Auswahl eines unmittelbaren Zulieferers menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Erwartungen zu berücksichtigen,
  • eine vertragliche Zusicherung jedes unmittelbaren Zulieferers zu verlangen, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert,
  • Schulungen und Weiterbildungen zur Durchsetzung der vertraglichen Zusicherungen des unmittelbaren Zulieferers durchzuführen,
  • angemessene vertragliche Kontrollmechanismen einzuführen und diese risikobasiert mit dem unmittelbaren Zulieferer umzusetzen, um die Einhaltung der Menschenrechtsstrategie bei dem unmittelbaren Zulieferer zu überprüfen.

Was ist zu tun?

  • Da es bisher keine „best practice“ zur Umsetzung der Vorgaben des LkSG gibt, besteht im Markt aktuell große Verunsicherung, wie mit Aufforderungen zu Auskünften und Vertragsanpassungen umgegangen werden soll. Es kann allerdings nur davor gewarnt werden, sämtliche von einem Kunden vorgelegte Erklärungen zum LkSG ungeprüft gegenzuzeichnen.
  • Insbesondere mit der Einräumung von Einsichtsrechten sollte bereits aus eigenem wirtschaftlichem Interesse (wer will schon seinem Kunden die eigene Kalkulation offenlegen?)  äußerst zurückhaltend umgegangen werden. Zudem können sich rechtliche Schranken aus dem Kartell-, dem Wettbewerbs-, und dem Datenschutzrecht ergeben. Sofern Einsichtsrechte nicht nur für das eigene Unternehmen verlangt werden, sondern auch für die eigenen Lieferanten, kann derartige Rechte ohnehin nur gewähren, wer über entsprechende Rechte verfügt.
  • Für Unternehmen, die mehrere vom LkSG erfasste Kunden haben, dürfte es sich anbieten, proaktiv tätig zu werden und zum Beispiel einen eigenen „Code of Conduct“ zu entwickeln und zu implementieren oder sich von einer unabhängigen Stelle zertifizieren zu lassen, um so für künftige Anfrage vorbereitet zu sein.

Was bedeutet das konkret für den Mittelstand?

Es ist damit zu rechnen, dass jedes Unternehmen, das direkter Zulieferer eines vom LkSG erfassten Unternehmens ist, sehr zeitnah von diesem Kunden angeschrieben wird. Es wird erklären müssen, ob es die menschenrechtsbezogenen und umweltbe- zogenen Vorgaben des LkSG erfüllt. Zudem werden die vom LkSG erfassten Unternehmen von ihren Lieferanten Anpassungen der zwischen ihnen abgeschlossenen Verträge verlangen, wonach diese die Einhaltung der menschenrechtsbezogenen und umweltbe- zogenen Vorgaben des LkSG zusichern und dem Kunden Einsichtsrechte zur Prüfung der Einhaltung gewähren.

Selbst Unternehmen, die nicht direkte Zulieferer vom LkSG erfasster Unternehmen sind, müssen damit rechnen, dass ihre Kunden sie auf ihre „LkSG-Compliance“ ansprechen werden und diese ggf. prüfen wollen, da alle unmittelbaren Zulieferer wiederum verpflichtet sind, die Erwartungen des LkSG „entlang der Lieferkette“ zu adressieren. Die Prüfung der vom LkSG betroffenen Unternehmen endet also nicht bei ihren unmittelbaren Zulieferern. Vielmehr müssen alle in die Lieferkette involvierten Unternehmen die Beachtung von Menschen- und Umweltrechten gewährleisten.

Vorankündigung:

Um Ihnen die Möglichkeit zu geben, unverbindlich Ihre Fragen zum LkSG mit uns zu besprechen, möchten wir in Kürze eine Online-Veranstaltung „LkSG-Brainstorming“ anbieten. Kontaktieren Sie uns gerne und lassen sich vormerken.

Ansprechpartner:
Dr. Christian Reichmann, LL.M., Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück