Muss die Akteneinsicht in Steuerunterlagen des Finanzamtes zukünftig nicht mehr eingeklagt werden?

1. Ausgangslage

Bisher wurden Anträge auf Akteneinsicht beim Finanzamt außerhalb eines Finanzgerichtsverfahrens in der Regel abgelehnt, da nach der Abgabenordnung (AO) ein Steuerpflichtiger hierauf keinen unmittelbaren Anspruch hat; sondern nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen solchen Antrag. Erst im finanzgerichtlichen Verfahren besteht ein Anspruch auf Einsicht in die Finanzamtsakte nach § 78 Finanzgerichtsordnung (FGO). Dies könnte sich durch die Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahre 2018 zugunsten der Steuerpflichtigen geändert haben. Einen ersten Fall entschied das Finanzgericht (FG) Saarland 2019 mit einem unanfechtbaren Beschluss.

2. Rechtslage

In der DSGVO ist ein Recht auf Akteneinsicht nicht ausdrücklich geregelt. Nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 DSGVO besteht aber ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, soweit die Finanzbehörden Papierakten führen, da auch nach Steuernummern oder sonstigen Aktenzeichen sortierte Papierakten ein Dateisystem i. S. des Art. 4 Nr. 6 DSGVO sind. Dies gilt auch, soweit die Papierakten Informationen vor Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 enthalten (vgl. Art. 99 Abs. 2 DSGVO).

In dem entschiedenen Fall geht das FG Saarbrücken von einem außergerichtlichen Recht auf Akteneinsicht aus und begründet seine Entscheidung vor allem mit der Geltung der DSGVO.

Zwar gilt diese grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft ist. Da jedoch die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden für sämtliche Steuerarten anwendbar ist, folgt der Anspruch des Klägers auf Informationszugang zumindest aus der insofern eingetretenen Selbstbindung der Verwaltung. Nach der Abgabenordnung besteht ein behördliches Ermessen nur, soweit es an Regelungen in der DSGVO fehlt. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, da Art. 15 Abs. 1 2. HS, Abs. 2 DSGVO genau diesen (ermessensfreien) Anspruch auf Information regelt.

Damit besteht für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde, sofern keine Ausschlussgründe nach der Abgabenordnung vorliegen. Ausschlussgrund für einen Anspruch auf Akteneinsicht ist insbesondere das Steuergeheimnis, das aber selbstverständlich für die eigenen Steuerunterlagen nicht greifen kann.

3. Praxishinweise

Sofern erforderlich kann es sich anbieten, ab sofort außergerichtliche Anträge auf Akteneinsicht unter Berufung auf die DSGVO zu stellen. Gern sind wir Ihnen dabei behilflich.

Ansprechpartnerin:

Petra Jaretzke, Dipl.-Kfm., Steuerberaterin, Wirtschaftsmediatorin, Hannover

13. Januar 2020