Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung von Compliance-Richtlinien

1. Einleitung

"Compliance" ("Gesetzestreue") gehört zu einer modernen und verantwortungsbewussten Unternehmenskultur dazu und ist längst nicht mehr auf Großunternehmen beschränkt. In den letzten Jahren hat bei vielen Unternehmen ein Umdenken stattgefunden, mit der Folge, dass derartige Systeme nicht erst dann installiert werden, wenn es bereits zu medienträchtigen Skandalen gekommen ist. Kurzum: Die präventive Wirkung von Compliance-Systemen hat letztlich überzeugt.

In einem mitbestimmten Unternehmen stellt sich bei der Einführung eines Compliance-Systems neben vielen weiteren Rechtsfragen (z. B. nach der Reichweite des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts oder den Grenzen der Gestaltung von Arbeitsverträgen) insbesondere die wichtige Frage, welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten sind. Hierüber gibt der Beitrag einen ersten Überblick.

2. Einführung eines Compliance-Systems

Zu einem wirksamen Compliance-System gehören je nach Unternehmensgröße u. a. die Einführung von Compliance-Richtlinien, das Implementieren personeller Strukturen und die Ernennung von Verantwortlichen (z.B. Chief Compliance Officer sowie weitere Compliance Officer für die einzelnen Geschäftsbereiche), die Einführung von Whistleblowing- oder Ombuds-Systemen, sog. Internal Investigations sowie die Durchführung spezieller Schulungen für die Mitarbeiter.

Der Beitrag beschränkt sich auf Ausführungen zu den Mitbestimmungsrechten bei der Einführung von Compliance-Richtlinien.

3. Unternehmensinterne Compliance-Richtlinien

In der Praxis treten verschiedene Mischformen von Compliance-Richtlinien auf. Die Spannbreite reicht von der Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften über Ethik-Regeln bis zu verbindlichen Verhaltensregeln für die Mitarbeiter, (vgl. Neufeld/Knitter, Mitbestimmung des Betriebsrats bei Compliance-Systemen, BB 2013, 821 ff.). Ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht oder nicht, ist nach betriebsverfassungsrechtlichen Maßstäben bezogen auf jede einzelne Regelung zu prüfen. Die Mitbestimmungspflichtigkeit einzelner Teile der Richtlinie macht diese nicht in ihrer Gesamtheit mitbestimmungspflichtig, (vgl. BAG 22. Juli 2008 – 1 ABR 2008, 2520).

4. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

a) § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer)

Zu unterscheiden sind das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten und das gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer. Maßgeblich ist das Ziel der Maßnahme und nicht der äußere Anknüpfungspunkt (Mengel in: Hauschka, Corporate Compliance, § 13 Rn. 58, München 2010).

Mitbestimmungspflichtig sind demnach verbindliche Verhaltensvorschriften für die Arbeitnehmer im Betrieb, aber auch solche Maßnahmen des Arbeitgebers, die das Verhalten der Arbeitnehmer in Bezug auf die betriebliche Ordnung betreffen und berühren, ohne dass sie verbindliche Normen für das Verhalten der Arbeitnehmer zum Inhalt haben. Darunter fallen z. B. die Verpflichtung, Verstöße anderer Arbeitnehmer gegen den Verhaltenskodex anzuzeigen, sofern die Anzeigepflicht jeden Verstoß erfasst, (Mengel in: Hauschka, Corporate Compliance, § 13 Rn. 61, München 2010).

Das Arbeitsverhalten betrifft hingegen Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar konkretisiert wird, bspw. durch Arbeitsanweisungen, (BAG, Beschluss vom 24. März 1981 – 1 ABR 32/78, NJW 1982, 404).

Im Rahmen von Compliance-Richtlinien getroffene Regelungen sind mitbestimmungspflichtig gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber durch sie das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer regeln möchte, bspw. eine Regelung zur Annahme von Geschenken trifft.

b) § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (technische Einrichtungen)

Ebenfalls von großer Bedeutung ist das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Einführung von Compliance-Regelungen, die technische Einrichtungen zum Gegenstand haben und die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Hierbei geht es insbesondere um die datenschutzrechtliche Problematik der Auswertung der in technischen Einrichtungen (bspw. Server, Festplatten etc.) gespeicherten Daten zur Überwachung der Compliance-Vorgaben. Daher ist der PC-Einsatz zur Erfassung und Auswertung der im Rahmen von Ethikrichtlinien verwendeten Fragebögen und der erteilten Auskünfte oder eingegangenen Verpflichtungen mitbestimmungspflichtig (Borgmann, NZA 2003, 352, 356). Ebenso besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der Kontrolle von Daten der Nutzung von Informationstechnologie durch die Mitarbeiter, (BAG NJW 2008, 3731 ff.).

5. Fazit

Das Arbeitsrecht ist ein wichtiger Bestandteil von Compliance-Richtlinien und bildet gemeinsam mit dem Strafrecht die wahrscheinlich wichtigsten Grundstrukturen für den gesamten Compliance Bereich. Zudem enthält auch das Arbeitsrecht Gesetze mit öffentlich-rechtlichem oder strafrechtlichem Charakter, deren Einhaltung sicherzustellen ist.

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