Kurze Fristen und zu weit gefasste Abmahnungen können im Verfügungsverfahren zu einer Kostentragungspflicht des Antragstellers führen (§ 93 ZPO)

LG Bad Kreuznach Urt. v. 10.1.2020 – 2 O 121/19, GRUR-RS 2020, 3980

Tenor:

1. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beklagte veranstaltet Konferenzen zu verschiedenen Fachthemen. Für den September 2019 organisierte sie die [Veranstaltung X]. In dem in einem Flyer und im Internet veröffentlichten Programm sah sie für den ersten Konferenztag um 14:00 Uhr einen Vortrag des Klägers, den sie mit einem Bild und Text kurz vorstellte, zu seinem angeblichen Hotelneubau vor. Mit E-Mail vom 29. Mai 2019 um 10:25 konfrontierte die Beklagte den Kläger erstmals mit ihrem Vorhaben. Der Kläger war aber keinesfalls an einer Teilnahme interessiert und teilte dies sofort nach Erhalt mit Mail vom 29. Mai 2019 10:38 unmissverständlich u.a. mit den Worten „Ich weiß nicht, wie es zu diesem dramatischen Fehler Ihrerseits kommen konnte und behalte mir Rechtsmittel ausdrücklich vor.“ mit. Mit Mail vom 29. Mai 201911:08 antwortete die Beklagte u.a. „Ich bin jetzt ganz platt und werde Sie natürlich unverzüglich vom Flyer nehmen. Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“. Mit Mail vom 29. Mai 2019 um 11:21 schob die Beklagte ausdrücklich nach, einen Fehler gemacht zu haben. Sie löschte die im Internet eingestellte Datei, hatte aber die Vorbereitungen für den postalischen Versand des Flyers bereits am Morgen des 29. Mai gestartet, so dass dieser zum Versand kam. Hiervon erfuhr der Kläger am 5. Juni 2019. Der Kläger übersandte deshalb am Mittwoch, dem 5. Juni 2019 um 14.25 Uhr per Fax der Beklagte durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten ein Abmahnschreiben samt vorformulierter Unterlassungsverpflichtungserklärung, für deren Unterzeichnung und Rücksendung er eine Frist bis 20:00 Uhr des gleichen Tages setzte. In dem mitübersandten Text der „Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung“ sollte sich die Beklagte bei Meldung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 € zur Unterlassung der Werbung mit der Person des Klägers verpflichten. Von der gleichen Unterschrift gedeckt sollte sie sich dazu verpflichten, Auskunft über die mit der beworbenen Veranstaltung erzielten Umsätze und den Umfang und die Art der getätigten Werbung zu erteilen und dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Verletzungshandlungen nach Ziffer 1 entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

In einem Telefongespräch mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärte die Beklagte noch einmal das Versehen und versprach, unverzüglich alle Maßnahmen in die Wege zu leiten. Noch am selben Tag entfernte sie noch restliche Daten des Klägers auf der Webseite der Beklagte und bei Xing, die sie zuvor leider übersehen hatte. Am 6. Juni 2019 beauftragte die Beklagte ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Interessenwahrnehmung insbesondere im Hinblick auf den Umfang der von ihr verlangten Erklärung. Diese meldete sich noch am gleichen Tag bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Bitte um Fristverlängerung um eine Woche und versuchte am Donnerstag und Freitag erfolglos, diesen telefonisch zu erreichen. Am Freitag, dem 7. Juni 2019, beantragte der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte, die antragsgemäß erlassen wurde. Diese wurde den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 11. Juni 2019 zugestellt. Am 13. Juni 2019 erkannten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten diese an.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2019 haben sie ausdrücklich ausschließlich Kostenwiderspruch und Streitwertbeschwerde eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

die kurze Fristsetzung sei im Hinblick auf das bevorstehende Pfingstwochenende geboten gewesen, da die Beklagte ihre Werbung nicht nur auf dem Postweg, sondern vor allem auch auf mehreren Internetseiten veröffentlicht habe.

Der Kläger beantragt, den Kostenausspruch der einstweiligen Verfügung vom 7. Juni 2019 zu bestätigen.
Die Beklagte beantragt, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bad Kreuznach vom 7. Juni 2019 hinsichtlich der Kostenentscheidung abzuändern und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte trägt vor,

im Telefonat habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, dass es ausreiche, wenn die Mitarbeiterin der Beklagten [...] ihm den Eingang des Schreibens bestätige und am Folgetag die Unterlassungserklärung per Fax/per Post zukommen lasse. Im Hinblick auf den Umfang der verlangten Erklärung sei eine fristgerechte Unterzeichnung ohne die Einholung von Rechtsrat nicht möglich gewesen.

Im Übrigen wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf den zulässigerweise ausschließlich auf die Kosten beschränkten Widerspruch der Beklagten ist die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung aufzuheben. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger aufzuerlegen.

Zwar war der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte zulässig und begründet, so dass bei einer Kostenentscheidung gemäß § 91 Absatz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen wären.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Kostenentscheidung allerdings aus § 93 ZPO. Danach hat der Kläger die Prozesskosten zu tragen, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keinen Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt.

Die Beklagte hat durch ihr Verhalten keinen Anlass zur Erhebung der Klage gegeben. Allein die dem Erlass der einstweiligen Verfügung zu Grunde liegende Verletzungshandlung stellt keinen ausreichenden Anlass dar, Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einstweilige Verfügung nicht der Wiedergutmachung der vorausgegangenen Verletzung dient, sondern vielmehr nur die Wiederholung zukünftiger gleichgelagerter Verletzungshandlungen unterbinden soll. Ist die Wiederholung der Verletzungshandlung auch ohne einstweilige Verfügung ausgeschlossen oder zumindest strafbewehrt verboten, bedarf es der einstweiligen Verfügung nicht. Deshalb ist vor Einleitung des einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Schuldner in der Regel abzumahnen. Die Abmahnung enthält das Verlangen nach einer durch Vertragsstrafe gesicherten Unterlassungserklärung, die aus dem Unterlassungsgebot und dem Vertragsstrafeversprechen besteht. Gibt der Schuldner eine uneingeschränkte Unterwerfungserklärung ab, beseitigt diese die Wiederholungsgefahr und stellt so aus materiellrechtlichen Gründen den Verletzten für die Zukunft klaglos.

Im vorliegenden Fall hat zwar der Kläger die Beklagte erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Indes war die damit verbundene Frist jedenfalls deshalb zu knapp bemessen, weil er sich nicht darauf beschränkte, die Beklagte aufzufordern, eine mit einem Vertragsstrafeversprechen verbundene Unterlassungserklärung abzugeben. Vielmehr verlangte er in der gleichen Erklärung darüber hinaus auch die Übernahme einer Verpflichtung der Beklagten zur Abgabe mehrerer Wissenserklärungen sowie zur Verpflichtung des Ausgleichs von Schadenersatzansprüchen.

Der Umfang dieser Erklärung, deren Unterzeichnung der Kläger von der Beklagten innerhalb weniger Stunden verlangte, ging damit weit über das hinaus, was auf die Unterlassung zukünftiger Rechtsverletzungen gerichtet war, da sie sich gleichzeitig auch auf den zurückliegenden Verstoß und auf Verpflichtungen zum Ausgleich angeblicher Schadensersatzansprüche hieraus bezog. Auf die Abgabe einer derartigen Erklärung hat und hatte der Kläger indes keinen Rechtsanspruch, insbesondere nicht Innerhalb der von ihm auf wenige Stunden gesetzten Frist. Vielmehr war der Beklagten jedenfalls aufgrund dieses überschießenden Umfangs der abverlangten Erklärung eine Überlegungsfrist einzuräumen, in der ihr auch die Einholung von Rechtsrat möglich sein musste. Dass dies nicht innerhalb weniger Stunden möglich sein würde, war im Hinblick auf die allgemeinen Umstände offensichtlich. Die Beklagte unternahm mit der Beauftragung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten am nachfolgenden Tag insoweit alles ihr Mögliche; dass der klägerische Prozessbevollmächtigte telefonisch nicht erreichbar war und auf ein ihm elektronisch übermitteltes Schreiben nicht reagierte, kann ihr nicht zum Vorwurf gereichen.

Unstreitig hat die Beklagte den mit der einstweiligen Verfügung verfolgten, begründeten Unterlassungsanspruch sofort nach deren Zustellung anerkannt.

Anmerkung zum Urteil:

Wer kennt sie nicht, die empörten Anrufe von Mandanten, die sich über einen offensichtlichen Rechtsverstoß beschweren? Als anwaltlicher Berater versichert man ihnen sogleich, dass es durch eine Abmahnung und darauffolgende einstweilige Verfügung effiziente Möglichkeiten gibt, diesen Verstoß unverzüglich zu unterbinden. Der Mandant ist in Rage, er möchte, dass sofort rechtliche Maßnahmen ergriffen werden und der Gegner das beanstandete Vorgehen unverzüglich einstellt.

Schnell ist eine Abmahnung entworfen und die Frage nach der angemessenen Frist kommt auf. Unter Kollegen ist es gerne Brauch, eine Frist von nur wenigen Stunden zu setzen, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen und die Gegenseite unter Druck zu setzen. Und schon schaffe ich hiermit ein Haftungsrisiko, den Fall für den Mandanten rechtlich zwar zu gewinnen, kostenmäßig jedoch aufgrund von § 93 ZPO zu unterliegen (vergl. KG, Urteil vom 2.10.1999, AZ 5 U 5410/98, BeckRS 1999, 00074, OLG Stuttgart, NJWE-WettbR 2000, 125).

So hat es auch vorliegend das LG Bad Kreuznach entschieden: Der Kläger hatte sein Konterfeit auf der Broschüre einer Seminarwerbung wiedergefunden und sich hierüber zunächst direkt bei der Beklagten beschwert. Es stellte sich heraus, dass die Beklagte sich zwar bei einem bei einer Mitarbeiterin des Klägers erkundigt hatte, ob er für dieses Seminar als Redner zur Verfügung stehe, er selbst dazu aber nicht sein Einverständnis erteilt hatte. Die Beklagte entschuldigte sich und das Ganze hätte damit sein Bewenden gefunden, wenn sie nicht eine bereits veranlasste Postaussendung der Seminarbroschüre übersehen hätte. Auf diese wurde der Kläger aufmerksam und mahnte die Beklagte mit einer Frist von nur wenigen Stunden ab. Seiner Abmahnung war zudem eine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt, die mit der Anerkennung von Schadenersatzansprüchen und Auskunftsansprüchen weit über das hinausging, was rechtlich als Unterlassungserklärung gefordert werden konnte.

Was ist eine angemessene Frist? Natürlich sind stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Überwiegend wird im Regelfall von einer Mindestdauer von einer Woche bis zu zehn Tagen ausgegangen (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 37. Auflage 2019 § 12 UWG RN 1.21; Vogels-Waldhöfer, GRUR-Praxis 2018, 324,326). Ein Abweichen von der Regelfrist soll nur bei einer dringlichen Angelegenheit möglich sein, z.B. bei einem Messeverhalten des Verletzers (Vogels-Waldhöfer, aaO). Eine unangemessen kurze Frist setzt eine angemessene Frist in Lauf (BGH, GRUR 2010, 355, 357 Rn 18).

Wichtig bei der Bemessung der Frist ist, dass man dem Gegner ausreichend Zeit für die Einholung von Rechtsrat gewährt. So hat bereits schon das LG Hamburg entschieden, dass eine Frist von nur wenigen Stunden in der Regel nicht ausreichend ist, um die Sache rechtlich umfassend beurteilen zu können und die Gegenseite damit zu einer Abgabe der Unterlassungserklärung zu veranlassen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 06.01.2009 - 312 O 655/08, BeckRS 2009, 24019). Neu an der Entscheidung des LG Bad Kreuznach ist, dass nicht nur die unangemessen kurze Frist als Umstand des Einzelfalls zu berücksichtigen ist, sondern auch die Tatsache, dass die geforderte Unterlassungserklärung beispielsweise durch die Forderung der Anerkennung von Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen über das hinausgeht, was rechtlich mit einer Unterlassungserklärung gefordert werden kann. Eine zu weit gefasste Unterlassungserklärung verlangt somit in jedem Fall eine längere Frist als nur von wenigen Stunden.

Kurzum die Schlussfolgerung: Wer als vermeintlicher Sieger die Unterlassungserklärung zu weit formuliert und insbesondere auch weitere Ansprüche integriert, kann keine Frist von nur wenigen Stunden für die Abgabe der Unterlassungserklärung setzen. Ansonsten muss er für die Kosten dieses Verhaltens aufkommen. Das LG Bad Kreuznach hat hier eine sehr interessengerechte und abgewogene Entscheidung getroffen. Wenn auf Drängen des Mandanten kurze Fristen gesetzt werden, sollte zumindest die Unterlassungserklärung dergestalt formuliert sein, dass sie nur die Einstellung des beanstandeten Rechtsverstoßes umfasst und nicht mehr.

Ansprechpartnerin
Dr. Karolin Nelles LL.M., Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main