Kurzarbeit kürzt den Urlaub

Die coronabedingten allgemeinen Konjunkturrückschläge auf der einen Seite haben der Kurzarbeit auf der anderen Seite Hochkonjunktur verschafft.

Im April 2020 war der Anteil an Unternehmen, die Arbeitnehmer in Kurzarbeit schickten, 47 mal so hoch wie im gesamten Jahresdurchschnitt 2019. Über den Sommer hinweg gab es eine leichte Erholung der Konjunktur in den Herbst 2020 hinein. Hierdurch sank auch die Zahl der in Kurzarbeit entsendeten Mitarbeiter. Die Zahl der Unternehmen, die auf Kurzarbeit zurückgreifen, ist mit Verschärfung des Lockdowns im November jedoch wieder stark gestiegen. Während noch im Oktober 2020 1.832 Unternehmen auf Kurzarbeit zurückgriffen, ist dieser Wert im Januar auf 9.044 Unternehmen gestiegen. 

Im Laufe dieser durchgängig hohen Zahl an Arbeitnehmern in Kurzarbeit stellen sich selbstverständlich auch vermehrt arbeitsrechtliche Fragen, welche nunmehr auch die Gerichte erreichen und somit nach und nach geklärt werden.

Einer spannenden Frage hat sich nunmehr das Landesarbeitsgericht Düsseldorf gewidmet. Wie wirkt sich eigentlich Kurzarbeit auf den Umfang des Urlaubsanspruches aus? Mit Urteil vom 12. März 2021 (1 Ca 2155/20) hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nunmehr entschieden, dass Kurzarbeit den Urlaubsanspruch – je nach Umfang – kürzt. 

Explizite Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zu dieser Frage gibt es bislang nicht. Insofern hat das Landesarbeitsgericht auch die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. 

Worum ging es in der Entscheidung? 

Vereinfacht gesagt begehrte die klagende Arbeitnehmerin vollen Urlaub, obwohl sie mehrere Monate des Jahres 2020 in sogenannter „Kurzarbeit Null“ war.

Die Kurzarbeit würde nach ihrer Auffassung den Urlaubsanspruch nicht tangieren. 

Zur Begründung führte sie an, dass die Kurzarbeit auf Wunsch des Arbeitgebers erfolgte und auch während der Kurzarbeit Meldepflichten, insbesondere im Hinblick auf die Sozialversicherungsträger, bestünden. Die beklagte Arbeitgeberin hingegen machte geltend, dass die Kurzarbeit vergleichbar mit der Teilzeit ist und sich dementsprechend der Urlaubsanspruch anteilig kürze, was im Falle von „Kurzarbeit Null“ bis zum vollständigen Entfall des Urlaubsanspruchs führen kann. 

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf 

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, dass für Zeiten, in denen „Kurzarbeit Null“ angeordnet und durchgeführt wurde, kein Urlaubsanspruch gemäß § 3 des Bundesurlaubsgesetztes erworben wird.

Da der Erholungsurlaub darauf gerichtet ist, sich zu erholen, setzte dies nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf im Umkehrschluss eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. In Zeiten der Kurzarbeit seien jedoch die beiderseitigen Leistungspflichten aufgehoben, weswegen es eines Erholungsurlaubes nicht bedürfe. Zudem weist das Landesarbeitsgericht Düsseldorf darauf hin, dass insofern eine Vergleichbarkeit mit Teilzeitbeschäftigten bestünde.

Dies stehe auch mit dem europäischen Recht im Einklang, da der Mindesturlaubsanspruch aus Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG bereits nicht entstehe.

Bewertung und Konsequenzen 

Diese Argumentation ist aus unserer Sicht überzeugend und richtig. Die bloßen Meldepflichten des Arbeitsnehmers während der Kurzarbeit vermögen nicht zu begründen, dass Leistungspflichten bestehen, die Erholungsurlaub erforderlich machten. Gewisse Meldepflichten bestehen auch unabhängig von Kurzarbeit und spielen an anderer Stelle auch in keiner Weise eine Rolle für den Erwerb eines etwaigen Urlaubsanspruches. 

Interessant und im großen Maße praxisrelevant ist die Frage, in welcher Höhe der Urlaubsanspruch entsteht bzw. durch die Kurzarbeit reduziert wird. 

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat festgestellt, dass für jeden vollen Monat, in dem Kurzarbeit Null angeordnet war, der Gesamturlaubsanspruch um 1/12 zu kürzen ist. 

Im Falle von Kurzarbeit Null ist dies insofern noch verhältnismäßig leicht zu berechnen. 

Komplizierter ist die Frage, wie der Urlaubsanspruch zu berechnen ist, wenn lediglich reduzierte Kurzarbeit vorlag. So ist es beispielsweise möglich, dass Arbeitnehmer lediglich die Hälfte ihrer sonst üblichen Arbeitszeit geleistet haben und der übrige Teil der Arbeitszeit in Kurzarbeit verbracht wurde. In dieser Konstellation wird der Urlaubsanspruch nach der Formel zur Urlaubsberechnung bei unterjährigem Wechsel der Arbeitszeit zu berechnen sein, so wie es das BAG in seinem Urteil vom 10. Februar 2015-9 AZR 53/14 festgelegt hat. 

Der Urlaubsanspruch entsteht in diesem Falle entsprechend der festgelegten Arbeitstage. Das bedeutet, dass im Falle von 50 %-iger Kurzarbeit nichtsdestotrotz der volle Urlaubsanspruch im jeweiligen Monat entsteht, wenn der Arbeitnehmer weiterhin an fünf Tagen die Woche arbeitet, aber lediglich halbtags. 

Anders ist es hingegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Kurzarbeit beispielsweise nur noch an drei statt an fünf Tagen die Woche arbeitet. Dann entsteht lediglich ein reduzierter Urlaubsanspruch in Höhe von 3/5 des monatlichen Vollanspruchs. 

Zur Veranschaulichung ein zu Berechnungs- und Erläuterungszwecken vereinfachtes Beispiel:

Ein Arbeitnehmer hat einen Jahresurlaub von 60 Urlaubstagen. Das heißt auf jeden Monat entfällt ein Urlaubsanspruch von fünf Tagen (60:12). Der Arbeitnehmer arbeitet nunmehr in der zweiten Hälfte des Jahres lediglich an drei statt an fünf Tagen die Woche aufgrund der Einführung von Kurzarbeit. 

Hieraus ergibt sich, dass in der ersten Hälfte des Jahres 30 Urlaubstage erworben wurden (6 Monate x 5 Urlaubstage). In der zweiten Jahreshälfte entstand jeden Monat lediglich 3/5 des monatlichen Urlaubs, da lediglich an drei Tagen gearbeitet wurde. Dementsprechend entstanden lediglich 18 Urlaubstage für die zweite Jahreshälfte (6 Monate x 3 Urlaubstage). Insgesamt reduzierte sich also der Jahresgesamturlaub von 60 Urlaubstagen auf 48 Urlaubstage aufgrund der Kurzarbeit.

Fazit 

Das Urteil ist insgesamt überzeugend. Es ist unserer Auffassung nach auch nicht damit zu rechnen, dass das BAG in einer etwaigen Revision die Entscheidung aufhebt und gegen einen reduzierten Urlaubsanspruch während der Phase von Kurzarbeit entscheidet. So hat das BAG bereits für den Fall von unbezahltem Sonderurlaub (BAG 19. März 2019-9 AZR 315/17) und für die Freistellungsphase in der Altersteilzeit im Blockmodell (BAG 24. September 2019-9 AZR 481/18) entschieden, dass auch für diese Zeiten kein Urlaubsanspruch entsteht. Weswegen hier inhaltlich eine andere Behandlung im Falle von Kurzarbeit erfolgen sollte, ist nicht ersichtlich. 

Besondere Herausforderungen ergeben sich jedoch aus der Berechnung des Urlaubsanspruchs. Hier wird es wichtig sein, dass genau nachvollziehbar ist, wann und zu welchen Zeiten die Arbeitnehmer gearbeitet haben. 

 

Dr. Bernhard Heringhaus, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück
Lukas Behnke, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück