Ihr Webinar – eine Markenverletzung?

Hintergrund
Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt und die Formen des sozialen Interagierens verändert. Teil davon ist, dass Treffen und Zusammenkünfte aus der analogen Welt zunehmend in die digitale Welt verlagert werden. Geht es dabei um Seminare, die über das World Wide Web gehalten werden, so hat sich hierfür die Bezeichnung „Webinar“ etabliert. Veranstalter solcher über das Internet abgehaltener Seminare werden das interessierte Publikum unter Verwendung des Begriffs „Webinar“ auf diese hinweisen wollen. In jüngster Zeit kursieren aber Gerüchte über eine mögliche Abmahnwelle im Zusammenhang mit einer eingetragenen Marke „Webinar“. Tatsächlich ist beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Marke zu dem Wort „Webinar“ in Alleinstellung für verschiedene Dienstleistungen eingetragen. Darf man also ein Online-Seminar noch als Webinar bezeichnen oder verletzt man damit fremde Markenrechte?

Zu Markenrechten allgemein
Marken dienen als betrieblicher Herkunftshinweis. Sie sollen Waren und Dienstleistungen eines Anbieters von den Angeboten des Wettbewerbs unterscheidbar machen. Sie helfen also Kaufentscheidungen zu treffen und machen aus einem anonymen Produkt einen einzigartigen Markenartikel. Dem Käufer bieten sie so Orientierung und schaffen Vertrauen. Das wiederum begründet Werte auf Seiten des Anbieters, die es zu schützen gilt.

Schutz erlangt man u.a. durch Eintragung einer Marke beim Markenamt. Die Eintragung setzt zunächst die Einreichung einer Anmeldung und die Entrichtung einer Gebühr voraus. Einem Schutz zugänglich sind dabei erst einmal ganz unterschiedliche Markentypen wie etwa Wörter, Buchstaben, Zahlen, Abbildungen, aber auch Farben oder Klänge. Voraussetzung ist aber stets, dass das jeweilige Zeichen geeignet ist, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

Durch die Eintragung erwirbt ihr Inhaber das alleinige Recht, die Marke für die geschützten Waren und Dienstleistungen zu benutzen. Die eingetragene Marke ist ein gewerbliches Schutzrecht. Wird sie verletzt, so kann dies eine Fülle von Ansprüchen begründen, etwa auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz. Diese Ansprüche können auch gerichtlich durchgesetzt werden. Üblicherweise geht dem eine Abmahnung voraus, mit dem der Verletzer einer Marke außergerichtlich zur Erfüllung der Ansprüche des Markeninhabers aufgefordert wird.

Voraussetzungen für die Geltendmachung von markenrechtlichen Ansprüchen
Das Entstehen von markenrechtlichen Ansprüchen ist an eine Fülle von Voraussetzungen geknüpft, die es in jedem konkreten Einzelfall zu prüfen gilt.

So können Markenrechte nur durch kennzeichenmäßige Benutzungshandlungen verletzt werden. Wer also beispielsweise ein als Marke geschütztes Wort rein beschreibend in einem Fließtext benutzt, muss noch nicht automatisch eine Markenverletzung begehen.

Auch muss die potentielle Verletzungshandlung im geschäftlichen Verkehr stattfinden. Handlungen im privaten Bereich beispielsweise können mit einem Markenschutz nicht untersagt werden.

Grundsätzlich kann aus Marken nur gegen die Nutzung von identischen oder ähnlichen Zeichen für identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen vorgegangen werden. Mit Ausnahme einiger sehr bekannter Zeichen vermitteln Marken grundsätzlich nur Schutz für die konkreten Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen sind bzw. solche, die hierzu ähnlich sind. Per se ist ein Zeichen also nicht geschützt.

Auch ist der Markeninhaber gehalten, seine Marke nach Ablauf einer gewissen Schonfrist dann auch im geschäftlichen Verkehr tatsächlich als Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen zum Einsatz gebracht zu haben. Andernfalls können aus der eingetragenen Marke keine Ansprüche hergeleitet werden. Es eröffnet sich dann auch die Möglichkeit zur Einleitung eines Löschungsverfahrens wegen Verfall des Markenrechts. 

Schließlich und zuallererst muss der Markeninhaber natürlich überhaupt ein wirksames und älteres Recht für sich anführen können. Markeneintragungen können zu Unrecht bestehen, etwa wenn schon bei Anmeldung die Voraussetzungen für einen Markenschutz gar nicht vorlagen (Nichtigkeit) oder diese Voraussetzungen später entfallen sind (Verfall). Eben das kann in Löschungsverfahren geltend gemacht werden, die bei Erfolg das Markenrecht zu Fall bringen. Es ist aber zu beachten, dass eingetragene Marken bis zu ihrer Löschung aus dem Register als wirksame Rechte anzusehen sind. Wegen einer Markenverletzung angerufene Gerichte können Eintragungen nicht so ohne Weiteres ignorieren oder selbst revidieren. Insofern sind Abmahnungen, die auf eingetragene Rechte gestützt werden, grundsätzlich ernst zu nehmen und einer konkreten Prüfung des Einzelfalls zu unterziehen.

Zu möglichen Webinar-Fällen
Diese und weitere Aspekte gilt es im Fall einer auf die Marke „Webinar“ gestützten Abmahnung ebenso zu berücksichtigen wie in jedem anderen Fall einer vermeintlichen Kennzeichenrechtsverletzung. Auch eine Marke „Webinar“ kann erst einmal nur durch kennzeichenmäßige Handlungen im geschäftlichen Verkehr verletzt werden; und das auch nur durch die Nutzung von identischen oder ähnlichen Zeichen für identische oder ähnliche Dienstleistungen. Die im Jahr 2003 angemeldete und eingetragene Marke „Webinar“ steht heute unter Benutzungszwang. Im Juli 2020 sind beim Deutschen Patent- und Markenamt fünf Anträge auf Verfall der Marke und ein Antrag auf Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse eingegangen.

Sehen Sie sich einer Abmahnung aus der Marke „Webinar“ oder einem anderen Kennzeichenrecht ausgesetzt, so beraten wir Sie gern. Sehen Sie Ihre eigenen Kennzeichenrechte verletzt oder beabsichtigen Sie, solche zu begründen, so unterstützen wir Sie auch insoweit gern.

Dr. Henning Kohlmeier, Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Osnabrück