GmbH: Notarbescheinigung auch bei vollständiger Satzungsneufassung erforderlich!

Das Oberlandesgericht Jena hat mit Beschluss vom 14. September 2015 entschieden, dass eine Notarbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 GmbHG auch dann erforderlich ist, wenn die Satzung nicht nur in Teilen, sondern insgesamt vollständig neu gefasst wird.

I. Problemstellung

Jede Satzungsänderung einer GmbH erfordert einen Gesellschafterbeschluss, der grundsätzlich mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen zu fassen ist. Der Beschluss ist notariell zu beurkunden und zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Satzungsänderung wird erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam.

Der Handelsregisteranmeldung ist nicht nur der vollständige Wortlaut der Satzung beizufügen. Zusätzlich bedarf es auch der Bescheinigung eines Notars, dass die geänderten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages mit dem Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrages und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages übereinstimmen. Dies ist die sog. Satzungsbescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG.

Wenn nun die Gesellschafter der GmbH die Satzung nicht nur in einzelnen Punkten ändern, sondern eine vollständige Neufassung der Satzung beschließen, stellt sich die Frage, ob auch in einem solchen Fall eine notarielle Satzungsbescheinigung erforderlich ist. Die überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung geht davon aus, dass bei einer vollständigen Neufassung der Satzung eine Satzungsbescheinigung nicht erforderlich ist. Eine solche Satzungsbescheinigung wäre unter Publizitäts- und Informationsgesichtspunkten nicht angezeigt, weil sich ja die zum Handelsregister angemeldete Satzungsneufassung bereits unmittelbar aus der zum Handelsregister eingereichten Urkunde entnehmen lässt. Sinn und Zweck der Satzungsbescheinigung bestehe darin, dem Rechtsverkehr die Ermittlung der aktuell maßgebenden Satzung zu ermöglichen.

Anders als bei der nur in einzelnen Punkten vollzogenen Satzungsänderung sei bei der vollständigen Neufassung kein Klarstellungsbedürfnis gegeben. In der Literatur wird hingegen überwiegend die Gegenauffassung vertreten. Danach wird auch bei einer vollständigen Satzungsneufassung eine entsprechende notarielle Satzungsbescheinigung verlangt.

II. Entscheidung des OLG Jena

Das OLG Jena hat sich nunmehr ausführlich mit dem Problem der Satzungsbescheinigung bei einer Satzungsneufassung auseinandergesetzt. In dem zu entscheidenden Fall ergab sich der Wortlaut des neuen Gesellschaftsvertrages aus der dem Beschluss beigefügten Anlage (Satzung). Der Notar meldete die Änderungen des Vertrages zur Eintragung in das Handelsregister an. Neben der beurkundeten Beschlussfassung reichte er eine vollständige Fassung des aktuellen Gesellschaftsvertrages ein, ohne allerdings die Bescheinigung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG beizufügen.

Das Registergericht monierte das Fehlen der Bescheinigung.

Die dagegen von dem Notar eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Das OLG Jena hat sich mit seinem Beschluss der herrschenden Literaturauffassung angeschlossen und ausdrücklich auch im Falle der Satzungsneufassung eine notarielle Satzungsbescheinigung für erforderlich erklärt. Das Gericht hat sich dabei auf die Richtlinie 203/58/EG über die Offenlegungspflichten von Gesellschaften berufen. Diese Richtlinie sei durch das Gesetz über das elektronische Handelsregister und das Genossenschaftsregister (EHUG) in deutsches Recht umgesetzt worden. In der Begründung heißt es, das Gesetz solle den Bürgern den Zugang zu den offen gelegten Informationen erleichtern. Insgesamt solle die Publizitätsfunktion des Handelsregisters wesentlich verbessert werden. Vor diesem Hintergrund sei es erforderlich, dass der gültige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages aus einem einzigen, im Registerordner von Jedermann elektronisch abrufbaren Dokument ersichtlich sei.

Es solle dem interessierten Bürger erspart bleiben, zwischen verschiedenen Dokumenten zu wechseln, um festzustellen, ob die Fassung des Gesellschaftsvertrages auf der Beschlussfassung beruhe und ggf. auf welcher.

III. Praxishinweis

Ein Formulierungsvorschlag für die Satzungsbescheinigung bei einer vollständigen Satzungsneufassung kann z. B. wie folgt lauten:

„Gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 GmbHG bescheinige ich, dass der in der Anlage enthaltene vollständige Wortlaut des Gesellschaftsvertrages mit dem Beschluss vom ………… UR-Nr.: ……/2016 des Notars …………., Ort, übereinstimmt und den derzeit gültigen Wortlaut dieses Gesellschaftsvertrages wiedergibt.“

Ansprechpartner

Rechtsanwalt und Notar Dr. Axel Berninger, Hannover