Italien: Force Majeure und Wegfall der Geschäftsgrundlage in Italien

Wann entfällt die Pflicht zur Vertragserfüllung?

Das italienische Vertragsrecht unterliegt dem Grundsatz der Vertragstreue, wonach ein Vertrag zwischen den Parteien Rechtskraft besitzt. Eine Haftung des Schuldners für Nichterfüllung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn die Nichterfüllung oder der Verzug durch eine Unmöglichkeit der Erfüllung verursacht wurde, die auf eine Ursache zurückzuführen ist, die sich seiner Kontrolle entzieht, d.h. höhere Gewalt. Diese ist als jedes unvorhersehbare und außergewöhnliche Ereignis zu verstehen. In diesem Fall erlischt die Verpflichtung der Partei zur Erfüllung des Vertrages. Covid-19, der Krieg in der Ukraine oder auch behördliche Anordnungen, dh. die Anordnung oder das Verbot einer Behörde, welche ein unüberwindbares Leistungshindernis darstellen. Auch die aktuell verhängten Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland stellen höhere Gewalt dar. Die Leistungspflicht erlischt ebenfalls, wenn eine der Parteien durch den Eintritt (nachträglicher) außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse übermäßig belastet wird.    

Wann kommt ein Rücktritt oder eine Anpassung des Vertragsverhältnisses in Betracht?

Bei Vorliegen nachträglicher Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs der Parteien liegen und sich auf den Rahmen auswirken, innerhalb dessen der Vertrag geschlossen wurde, kann der Vertrag wegen unvorhergesehener Unmöglichkeit der Erfüllung nach Art. 1463 des italienischen ZGB gekündigt werden, wenn eine der Parteien die Erfüllung aufgrund äußerer, außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Umstände unmöglich geworden ist. Ein Kündigungsrecht besteht überdies nach Art. 1467 des italienischen ZGB wegen unvorhergesehener übermäßiger Belastung, wenn eine der vertraglich geschuldeten Leistungen durch das Eintreten außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse übermäßig belastend, d. h. im Verhältnis zum normalen Vertragsrisiko unverhältnismäßig geworden ist. In diesen Fällen hat die Leistungsempfängerin das Recht, die Kündigung durch das Angebot einer angemessenen Anpassung der Vertragsbedingungen (z.B. Herabsetzung des Mietzinses usw.) abzuwenden.

Wie können künftige Vertragsverhältnisse optimalerweise gestaltet werden?

Bei künftigen Verträgen ist es ratsam Klauseln aufzunehmen, die darauf abzielen auch bei Eintritt unvorhergesehener Umstände das ursprüngliche Gleichgewicht aus Leistung und Gegenleistung beizubehalten bzw. wiederherzustellen. Ebenso ist es ratsam, ausdrücklich Klauseln über die übliche Risikoteilung zwischen den Parteien aufzunehmen, um die Risiken zu verteilen, die sich aus Veränderungen im vertraglichen Umfeld ergeben. Angesichts der sich aus den gesetzlichen Regeln zur Unmöglichkeit ergebenden „Schwarz-Weiss-Regeln“ (d.h. entweder Weitergeltung oder Kündigung des Vertrages) empfiehlt es sich, detailliertere und abgestufte Klauseln zur Regelung von Situationen aufzunehmen, die eine Erfüllung unmöglich machen könnten, wie z. B. Klauseln zur Aussetzung von Fristen, die Festlegung von Verzugsstrafen (unter Ausschluss von weiterem Schadensersatz) und Hardship-Klauseln mit der sich daraus ergebenden Verpflichtung/Berechtigung, den Preis anzupassen.



Autor: Elena Zappoli