Erbschaftsteuerreform - Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat haben sich auf einen Kompromiss geeinigt.

Das Bundesverfassungsgericht entschied mit Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12, dass das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in Teilen verfassungswidrig ist. Bereits seit Mitte 2015 liegt der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ vor. Der Bundestag hatte das neue Gesetz am 24. Juni 2016 verabschiedet. Der Bundesrat verweigerte jedoch seine Zustimmung und rief den Vermittlungsausschuss an, der in der Nacht vom 21. auf den 22. September 2016 einen Kompromiss erzielte.

 

Das Wichtigste im Überblick:

1. Verschonung bei Vermögensübergang

Wie bisher sieht auch die Neuregelung bei Erwerben bis EUR 26 Mio. eine Verschonung des Betriebsvermögens in Höhe von 85 % vor, wenn innerhalb von fünf Jahren der vierfache Betrag der durchschnittlichen Jahreslöhne gezahlt (400 %) und der Betrieb fünf Jahre weitergeführt wird (Regelverschonung). Die Verschonung kann auf 100 % erhöht werden, wenn innerhalb von sieben Jahren der siebenfache Betrag der durchschnittlichen Jahreslöhne gezahlt (700 %) und der Betrieb sieben Jahre fortgeführt wird (Optionsverschonung).

Bei Großerwerben von mehr als EUR 26 Mio. darf nun alternativ zwischen zwei Verschonungsmodellen gewählt werden. Das Abschmelzmodell sieht eine schrittweise Verringerung des Verschonungsabschlags um einen Prozentpunkt für jede EUR 750.000,00 des Erwerbs vor. Ein Sockelbetrag ist nicht vorgesehen, d. h. die Begünstigung kann vollständig entfallen. Das ist bei Erwerben von EUR 90 Mio. (Optionsverschonung) bzw. von EUR 89,75 Mio. (Regelverschonung) der Fall.

Im oberen Bereich bzw. jenseits der Abschmelzzone wird wohl nur die sog. Verschonungsbedarfsprüfung zu einer signifikanten Verschonung führen können. Danach soll der Erwerber den Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer beantragen können, soweit er nachweisen kann, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Zum verfügbaren Vermögen gehören 50 % des miterworbenen nichtbegünstigten Vermögens und 50 % des zum Zeitpunkt der Steuerentstehung bereits dem Erwerber gehörenden sonstigen Vermögens, das nicht zum begünstigten Vermögen gehören würde, wenn es vererbt werden würde. Der Gesetzgeber stellt also bei den 50 % jeweils auf den nicht betrieblichen Teil des geerbten und nicht geerbten Vermögens ab.

2. Lohnsummenregelung

Die Lohnsummenregelung (400 bzw. 700 %) galt bisher nur bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten. Nunmehr wird die Zahl der Beschäftigten auf fünf reduziert. Für Betriebe mit sechs bis fünfzehn Beschäftigten gibt es allerdings eine gestaffelte Regelung.

3. Begünstigungsfähiges bzw. tatsächlich begünstigtes Vermögen

Die Definition des begünstigungsfähigen Vermögens entspricht der bisherigen Definition des § 13a Abs. 1 ErbStG.

Das begünstigungsfähige Vermögen ist jedoch nicht identisch mit dem tatsächlich begünstigten Vermögen. Das begünstigte Vermögen wird ermittelt, indem vom gemeinen Wert des begünstigungsfähigen Vermögens der - um das unschädliche Verwaltungsvermögen in Höhe von 10 % gekürzte - Nettowert des Verwaltungsvermögens abgezogen wird. Dabei wird die bisherige Verwaltungsvermögensgrenze in Höhe von 50 % aufgegeben. Die Ermittlung des Nettowerts des Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 und 8 ErbStG neu) gestaltet sich allerdings höchst komplex, da der Gesetzgeber jegliche „Gestaltung“ vermeiden will.

Modifiziertes Verwaltungsvermögen

Es bleibt bei der bisherigen Systematik mit einem Katalog, der schädliches Verwaltungsvermögen auflistet und somit begünstigte und nicht begünstigte Vermögensgegenstände voneinander abgrenzt. Nach dem nunmehr gefundenen Kompromiss werden Freizeit- und Luxusgegenstände, wie Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge und sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienenden Gegenstände, als schädliche Vermögensgegenstände eingestuft, wenn der Handel mit diesen Gegenständen, deren Herstellung oder Verarbeitung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung nicht der Hauptzweck des Betriebs ist.

Investitionsklausel

Für den Erwerb von Todes wegen wird eine sog. Investitionsklausel aufgenommen, um Härten bei der Stichtagsbetrachtung abzufedern. Danach soll die Zurechnung von Verwaltungsvermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen rückwirkend zum Zeitpunkt der Steuerentstehung entfallen, wenn der Erwerber sie innerhalb von zwei Jahren in das erworbene, begünstigungsfähige Vermögen investiert, sie unmittelbar der originären Tätigkeit dienen und kein Verwaltungsvermögen darstellen. Des Weiteren muss ein im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorgefasster Plan des Erblassers bei den Investitionen umgesetzt werden und es darf keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen werden.

4. Vollverschonung

Voraussetzung für die Gewährung der Vollverschonung ist, dass das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs.

5. Änderungen bei der Bewertung

Die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens gemäß §§ 199 ff. BewG hat in der Vergangenheit häufig zu überhöhten Unternehmenswerten geführt, weil der gesetzlich vorgeschriebene Vervielfältiger viel zu hoch war (in 2016: 17,85). Der Vermittlungsausschuss setzt nun einen Kapitalisierungsfaktor in Höhe von 13,75 an. Zudem wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Kapitalisierungsfaktor anzupassen. Diese Regelung soll bereits ab dem 1. Januar 2016 gelten.

6. Wertabschlag für Familienunternehmen

Häufig unterliegen Familienunternehmer wegen entsprechender Regelungen im Gesellschaftsvertrag erheblichen Restriktionen, wenn es darum geht, Gewinne zu entnehmen, ihre Beteiligung zu übertragen oder aus dem Unternehmen auszuscheiden. Für sie sieht das neue Gesetz einen Bewertungsabschlag bis zu 30 % für das begünstigte Vermögen vor, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung Bestimmungen enthält, die

  • die Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens 37,5 % des - um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttung entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten - steuerrechtlichen Gewinns beschränken; dabei bleiben allerdings Entnahmen zur Begleichung der auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttung entfallenden Steuern vom Einkommen unberücksichtigt; und
  • die Zulässigkeit einer Verfügung über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil an der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige im Sinne der Abgabenordnung oder auf eine Familienstiftung beschränken, und
  • für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vorsehen, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt

und die Bestimmungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Diese Voraussetzungen müssen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer erfüllt sein.

7. Stundungsregelungen

Gehört zum Erwerb von Todes wegen begünstigtes Vermögen, wird dem Erwerber die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu sieben Jahre gestundet. Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer fällig und ist bis dahin zinslos zu stunden. Für die weiteren zu entrichtenden Jahresbeträge sind die üblichen Verzinsungsregelungen im Sinne der §§ 234 und 238 der Abgabenordnung ab dem zweiten Jahr der Festsetzung der Steuern anzusetzen. Die Stundung endet, wenn der Erwerber die Lohnsummen- oder Behaltensregelungen nicht einhält.

8. Inkrafttreten

Die Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes sollen mit Wirkung zum 1. Juli 2016, die des Bewertungsgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2016 in Kraft treten.

9. Fazit

Die grundsätzliche Rechtssicherheit im Erbschaftsteuerrecht ist vorerst wieder hergestellt. Aber nichts ist einfacher geworden!

Zukünftig wird die Ermittlung des begünstigten Vermögens noch schwieriger und letztlich nur noch von Experten zu bewältigen sein.

Die Herabsetzung des Kapitalisierungsfaktors auf 13,75 war notwendig, denn die hohen Werte haben zu unrealistisch hohen Unternehmenswerten geführt. Nach der Gesetzesbegründung soll die Rückwirkung zum 1. Januar 2016 verfassungsrechtlich unproblematisch sein, da sie allein zu Gunsten des Steuerpflichtigen wirke. Das ist so nicht richtig! Der hohe Vervielfältiger konnte bislang helfen, die Verwaltungsvermögensquote auf maximal 50 % bzw. 10 % zu drücken. In diesen Fällen kann die rückwirkende Gesetzesänderung im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Verschonung zu versagen ist.

Die Anwendung der Investitionsklausel von einem im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorgefassten Investitionsplan des Erblassers abhängig zu machen, ist nicht praktikabel. So stellt sich die Frage, in welcher Form ein solcher Investitionsplan des Erblassers nachgewiesen werden soll. Reichen mündliche Äußerungen des Erblassers aus oder muss der Plan schriftlich abgefasst worden sein?

Der Wertabschlag von bis zu 30 % auf begünstigtes Vermögen, wenn die Gesellschaftsverträge von Familienunternehmen Restriktionen hinsichtlich Entnahme und Verfügbarkeit enthalten, ist grundsätzlich begrüßenswert. Die „Vorfrist“ von zwei Jahren ist allerdings unverständlich und die „Nachfrist“ von 20 Jahren viel zu lang. Gesellschafter von Familienunternehmen sollten dennoch dringend entsprechende Regelungen in ihre Gesellschaftsverträge aufnehmen, um sich die Möglichkeit der Wertabschläge im Falle eines Vermögensübergangs zu sichern.

Die Stundungsregelung ist zwar grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings wäre die zunächst geplante Beibehaltung einer zinslosen Stundung wünschenswert gewesen.

Ansprechpartner

Petra Jaretzke, Steuerberaterin, Hannover
Siegrid Lustig, Fachanwältin für Erbrecht, Hannover

23. September 2016