Erben müssen für geerbten Pflichtteilsanspruch Erbschaftsteuer zahlen

Einen geerbten Pflichtteilsanspruch müssen die Nachkommen selbst dann versteuern, wenn sie ihn gar nicht geltend machen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Urteil vom 7. Dezember 2016, Az.: II – R – 21/14 entschieden.

Ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass und unterliegt beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches durch den Erben kommt es nicht an.

Wenn jemand einen Anspruch auf einen Pflichtteil hat und dann verstirbt, gehört dieser Anspruch zum Nachlass – selbst dann, wenn der Verstorbene selbst den Pflichtteil gar nicht geltend gemacht hat. Geht die Erbschaft auf den/die Erben über, so müssen diese auch diesen nicht vom Erblasser geltend gemachten Pflichtteilsanspruch versteuern. Damit entsteht die Erbschaftsteuer bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es darauf ankommt, dass die Erben den Anspruch auch tatsächlich geltend machen.

Sachverhalt

Im Streitfalle war der Kläger Alleinerbe seines im September 2008 verstorbenen Vaters (E).

E hatte mit seiner im April 2008 vorverstorbenen Ehefrau (EF) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und sein Erbe nach dem Tod der EF ausgeschlagen. Im Januar 2009 machte der Kläger (Sohn des Erblassers) den in Folge der Erbausschlagung entstandenen Pflichtteilsanspruch des E am Nachlass der EF in Höhe von EUR 400.000,00 gelten.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen den Kläger, ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb von EUR 2,6 Mio., Erbschaftsteuer in Höhe von EUR 455.250,00 auf den Todeszeitpunkt fest. Auf den hiergegen erhobenen Einspruch erhöhte das Finanzamt nach einem entsprechenden Verböserungshinweis die Erbschaftsteuer durch Einspruchsentscheidung auf EUR 531.373,00. Dabei rechnete das FA den vom Kläger geltend gemachten Pflichtteilsanspruch in Höhe von EUR 400.000,00 dem erbschaftsteuerlichen Erwerb hinzu. Dies begründete das Finanzamt damit, dass die Erbschaftsteuer für den durch den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger des E gelten gemachten Pflichtteil gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG erst mit der Geltendmachung im Januar 2009 entstanden sei. Im vorliegenden Falle gehe es jedoch nicht um die Besteuerung des Pflichtteils des E nach der EF, sondern um den Nachlass des E, der auf den Kläger übergegangen sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Pflichtteilsanspruch des E sei Bestandteil des auf den Kläger übergegangenen Nachlasses.

Mit der Revision rügte der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Er beantragte sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteueränderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf EUR 455.373,00 herabgesetzt wird.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer.

Als Erwerb von Todes wegen gelten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG:

  • der Erwerb durch Erbanfall

§ 1922 BGB

  • der Erwerb durch Vermächtnis

§§ 2147 ff. BGB

  • der Erwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs

§§ 2303 ff. BGB

Erbanfall ist der Übergang der Erbschaft auf den oder die Erben (§ 1942 BGB).

Nach § 1922 i. V. m. § 1942 BGB gehe das vererbbare Vermögen in Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den oder die Erben über, d. h. der Erbe oder die Erben (Erbengemeinschaft) treten umfassend in die Rechtsposition des Erblassers ein. Maßgebend für die Bestimmung, welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen seien oder als Nachlassvermögen auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, sei allein das Zivilrecht. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise sei insoweit ausgeschlossen.

Auch ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtanspruch gehöre zum Nachlass.

Nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind.

Der überlebende Ehegatte, der die Erbschaft ausschlägt, kann neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustände, § 1371 Abs. 3 1. Halbsatz BGB. Dem die Erbschaft ausschlagenden Ehegatten bleibt somit im Falle des gesetzlichen Güterstandes das Pflichtteilsrecht erhalten. Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der überlebende Ehegatte ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschlagung haben kann. Er soll in seiner Entschließung, ob er die Erbschaft mit erhöhtem gesetzlichen Erbteil oder den Ausgleich des Zugewinns zusammen mit dem Pflichtteil wählen will, frei sein.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch, der nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall als Vollrecht entsteht und von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten gehört.

Ob der Pflichtteilsanspruch tatsächlich gegen den oder die Erben gelten gemacht wird, ist unerheblich. Der Pflichtteilsanspruch ist zwar nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO, d. h. bei vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit pfändbar, so dass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung des Anspruchs nicht aufzwingen kann. Der bereits mit dem Erbfall zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch ist jedoch nach § 2317 Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar und gehört somit beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten zu dessen Nachlass. Der Erbe des Pflichtteilsberechtigten kann den durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch geltend machen, selbst dann, wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies persönlich zu Lebzeiten aus welchen Gründen auch immer selbst unterlassen hatte.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. ErbStG gilt ein Pflichtteilsanspruch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht wird. Damit weicht das Erbschaftsteuerrecht vom Zivilrecht ab. Diese erbschaftsteuerrechtliche Besonderheit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. ErbStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG, wonach der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs nur bei dessen Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten der Erbschaftsteuer unterliegt, gilt allerdings nicht für den Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs durch Erbfall (sog. derivativer Erwerb). Für diesen Erwerb entsteht die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch den Erben ankommt.

Hinweis

Der BFH führt weiter aus, dass keine Gefahr einer doppelten Besteuerung eines Pflichtteilsanspruchs bestehe. Der originär nach den §§ 2303 ff. BGB in der Person des Pflichtteilsberechtigten entstandene und von diesem geltend gemachte Pflichtteilsanspruch wird nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. ErbStG besteuert, während sich die Besteuerung eines nach den §§ 1922, 2303 ff. BGB geerbten (derivativen) durch den verstorbenen Pflichtteilsberechtigten nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs beim Erben nach § 3 Abs. 1 Nr.1 1. Alt. ErbStG richtet. Macht der Erbe des Pflichtteilberechtigten den Pflichtteilanspruch später geltend, so entsteht dafür dann keine Erbschaftsteuer. Es kommt somit nicht zu einer doppelten Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteilsanspruchs. Wenn das Finanzamt in diesem Fall dennoch erneut Erbschaftsteuer festsetzt, sollten Rechtsmittel eingelegt werden.

Ansprechpartner

Dr. Axel Berninger, Rechtsanwalt und Notar, Hannover