Die langersehnte oder die lange befürchtete Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes kommt.

I.    Änderung des Gesellschafterbestandes bei Kapitalgesellschaften

Mit dem Gesetz wird ein neuer Ergänzungstatbestand eingeführt, der an den Gesellschafterbestand von grundbesitzenden Kapitalgesellschaften anknüpft (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Vergleichbar mit den bereits bekannten Regelungen bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) greift dieser dann, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in der Form ändert, dass mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen. Dabei werden neben den unmittelbaren auch mittelbaren Änderungen des Gesellschafterbestandes erfasst. Dieser neue Tatbestand ist vorrangig vor den Tatbeständen des § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG (Anteilsvereinigung und -übertragung, wirtschaftliche Beteiligung) anzuwenden. 

Die grundbesitzende Kapitalgesellschaft hat derartige Vorgänge anzuzeigen und ist auch der Steuerschuldner.

 

II.   Börsenklausel bei Änderungen des Gesellschafterbestandes

Die Einführung einer Börsenklausel (§ 1 Abs. 2c GrEStG) wurde erforderlich, da wegen des fortlaufenden Börsenhandels mit Aktiengesellschaften ansonsten durchgängig grunderwerbsteuerbare Vorgänge auftreten würden. Dies betrifft den neuen Tatbestand der Änderung des Gesellschafterbestandes grundbesitzender Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG), aber auch den schon bestehenden Tatbestand der Änderung des Gesellschafterbestandes grundbesitzender Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG).

Um dem zu begegnen, ist nunmehr vorgesehen, bei der Ermittlung der Quote des Gesellschafterwechsels in beiden Vorschriften Übergänge von Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Betracht zu lassen, die an den im Gesetz benannten in- oder ausländischen Börsen zum Handel zugelassen sind und soweit die Anteilsübertragung auf Grund eines Geschäfts an diesen Börsen erfolgt. Die durch die Börsenklausel veranlasste Nichtberücksichtigung von Anteilsübergängen wirkt sich bei der etwaigen Anwendung von § 1 Abs. 2b GrEStG bei der börsennotierten Gesellschaft selbst, aber auch bei der Anwendung von § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG bei einer ihr nachgeschalteten grundbesitzenden Personen- bzw. Kapitalgesellschaft aus.

 

III. Absenkung der 95 %-Grenze in den Ergänzungstatbeständen auf 90 %

Die Gesetzesänderung sieht eine Absenkung diverser Schwellenwerte von 95 % auf 90 % vor. Dies betrifft die Tatbestände der Änderung des Gesellschafterbestands bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG), die Anteilsvereinigung und -übertragung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) und die sog. wirtschaftliche Beteiligung (§ 1 Abs. 3a GrEStG).

Die abgesenkten Schwellenwerte gelten ab dem 1. Juli 2021. Sofern vor diesem Zeitpunkt ein Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft, eine Anteilsvereinigung oder eine wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 90 %, aber weniger als 95 % bereits eingetreten war, soll der bisherige Schwellenwert grundsätzlich weiter gelten. Für den Wechsel des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft gilt dies bis zum 30. Juni 2026, für die Anteilsvereinigung und die wirtschaftliche Beteiligung zeitlich unbegrenzt.

 

VI. Verlängerung von Fristen von fünf auf i.d.R. zehn Jahre

Entsprechend der Absenkung des Schwellenwerts wird für den Tatbestand des Wechsels des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) der Betrachtungszeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängert.

Die Verlängerung der Frist gilt grundsätzlich ab dem 1. Juli 2021. Für Übergangsfälle schließt das Gesetz aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch aus, dass Personen, die am 30. Juni 2021 nach altem Recht bereits sog. Altgesellschafter waren, allein durch die Verlängerung des Betrachtungszeitraums wieder zu sog. Neugesellschaftern werden. Sie können daher weiterhin Anteile an Personengesellschaften erwerben, ohne dass der Vorgang zu einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG führt.

Auch bei Übergängen von oder auf eine Gesamthand gemäß §§ 5 und 6 GrESt sieht die Gesetzesänderung die Verlängerung der Fristen von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre vor. Aber auch hier gelten Ausnahmen für Fälle, in denen die bisherige Fünf-Jahresfrist vor dem 1. Juli 2021 abgelaufen war.

 

V.   Unsere Empfehlung

Sollten Sie Veränderungen im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Gesellschaft planen, könnte es sinnvoll sein, diese Veränderungen angesichts der beschriebenen Ausnahmen noch vor dem 1. Juli 2021 durchzuführen. Veränderungen nach dem 1. Juli 2021 sollten vorab auf ihre grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen untersucht werden. Dazu stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Petra Jaretzke, Steuerberaterin, Wirtschaftsmediatorin,

Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover