Deutschland quo vadis – Steuern nach der Wahl

Am 16. Dezember 2013 wurde der Koalitionsvertrag unterzeichnet. Die wichtigsten steuerlichen Vereinbarungen haben wir Ihnen im Folgenden dargestellt:

Die steuerlichen Themen werden im Koalitionsvertrag unter dem Titel „Solide Finanzen“ zusammengefasst; gemeinsam soll das Ziel einer „verlässlichen Steuerpolitik“ verfolgt werden. Wörtlich heißt es:

„…Steuerrecht ist kein statisches Recht. Wenn gesellschaftliche oder wirtschaftliche Entwicklungen es erfordern, muss das Steuerrecht angemessen fortentwickelt werden, damit es seine Ziele auch künftig erreicht. Deutschland hat derzeit insgesamt ein zeitgemäßes und wettbewerbsfähiges Steuerrecht. Wir wollen das Steuerrecht in einer sich verändernden Welt kontinuierlich fortentwickeln, zugleich aber eine hohe Planungssicherheit für die Steuerzahler wie für die öffentliche Hand erreichen. …“

Offensichtliche Steuererhöhungen wurden nicht vereinbart. Die wesentlichen Neuerungen betreffen Maßnahmen zur Steuervereinfachung und zum Steuervollzug, Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Steuervermeidung sowie Aussagen zur Ertragsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer und Grundsteuer.

 

Maßnahmen zur Steuervereinfachung und zum Steuervollzug

  • Einführung einer vorausgefüllten Steuererklärung für alle Steuerpflichtigen bis zum Veranlagungszeitraum 2017 (für Rentner und Pensionäre ohne weitere Einkünfte bereits ab 2015).
  • Ausbau der elektronischen Kommunikation mit der Finanzverwaltung.
  • Verzicht auf die verpflichtende Übersendung von Papierbelegen bei Steuererklärungen.
  • Entwicklung des Steuerverfahrensrechts in Richtung eines Selbstveranlagungsverfahrens beginnend mit der Körperschaftsteuer.
  • Verbesserung der Abgabenerhebung beim grenzüberschreitenden Warenverkehr durch den Einsatz von IT.
  • Das Bundeszentralamt für Steuern soll zur besseren Koordination von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren zur zentralen Anlaufstelle der Steuerfahndungsstellen der Länder weiterentwickelt werden; dazu soll eine entsprechende Ausstattung zur Verfügung gestellt werden. Bislang unterstützte das BZSt die Länder vornehmlich bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung. Es ist zu erwarten, dass die Strafverfolgung im Bereich der Steuerhinterziehung effizienter wird. Im Bereich der Ermittlungen von „Schwarzkonten“ könnten sich sehr kurze Dienstwege ergeben, da das BZSt u.a. auch für die Sammlung, Auswertung und Weitergabe der Daten über Kapitalerträge, für die aufgrund eines Freistellungsauftrags kein Steuerabzug vorgenommen wurde, zuständig ist.
  • Die Anwendung von sog. Nichtanwendungserlassen und die Rückwirkung von Steuergesetzen sollen restriktiv gehandhabt werden und auf die Sicherung von Steuersubstrat und die Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Steuersparmodellen beschränkt sein.

 

Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Steuervermeidung

Bei der Frage zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Steuervermeidung waren sich Union und SPD einig und hoffen, dass eine stärkere Bekämpfung mehrere Milliarden Euro in die Finanzkasse spülen wird.

  • Ziel ist es u.a. die grenzüberschreitenden Gewinnverlagerung international operierender Unternehmen einzudämmen, umfassende Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen zu schaffen und eine doppelte Nichtbesteuerung von Einkünften oder den doppelten Betriebsausgabenabzug zu verhindern. Soweit sich diese Ziele der OECD-Initiative bis 2015 nicht verwirklichen lassen, sollen nationale Maßnahmen ergriffen werden (z.B. Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Briefkastenfirmen, Schaffung eines öffentlichen Registers für alle wirtschaftlich Beteiligten an Trust-Konstruktionen nach dem Vorbild des Geldwäschegesetzes).
  • Zwischen den Steuerverwaltungen der Länder ist eine länderspezifische Berichterstattung im Bankenbereich und im Rohstoffhandel insbesondere über erzielte Gewinne, entstandene Verluste und gezahlte Steuern geplant („country-by-country-reporting).
  • Durch eine Revision des OECD Musterabkommens zum Informationsaustausch soll der automatische steuerliche Informationsaustausch internationaler Standard werden.
  • Der Anwendungsbereich der EU-Zinsrichtlinie soll auf sämtliche Kapitaleinkünfte und alle natürlichen und juristischen Personen ausgedehnt werden.
  • Angestrebt wird eine bessere Abstimmung des Unternehmenssteuerrechts ausgehend von den Arbeiten für eine gemeinsame Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage.
  • Im Hinblick auf ein entschlossenes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung sollen die Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige weiterentwickelt werden. Bereits im Mai 2011 wurden die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige verschärft, indem u.a. die Möglichkeit der Teilselbstanzeige abgeschafft wurde und eine strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nur noch nach einer vollständigen „steuerlichen Lebensbeichte“ für alle strafrechtlich unverjährten Jahre (5 Jahre) eintritt. Nunmehr soll die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige künftig von den vollständigen Angaben zu den steuerlich unverjährten Zeiträumen (10 Jahre) abhängig zu machen. Es wird somit immer schwieriger werden, eine vollständige und strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben.
  • Zudem soll eine Anlaufhemmung für bestimmte Auslandssachverhalte hinsichtlich der Festsetzungsverjährung eingeführt werden, wenn diese nicht korrekt erklärt werden. Werden steuerlich relevante Auslandssachverhalte erst Jahre später bekannt, kann so eine Besteuerung dann noch durchgeführt werden.
  • Bei systematischen Verstößen von Banken gegen das Steuerrecht kommen aufsichtsrechtliche Sanktionen bis hin zum Entzug der Banklizenz in Betracht.
  • Ferner ist beabsichtigt, zur Verbesserung der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, des Sozialversicherungsbetrugs, der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS) personell und informationstechnologisch besser auszustatten. Da auch die Kontrolle der Durchsetzung der Mindestlöhne durch die FKS erfolgen soll, wird mit einem Aufstockungsbedarf von ca. 2.000 Mitarbeitern gerechnet. Zurzeit sind knapp 6.800 FKS Beamte im Einsatz.

 

Ertragsteuer

  • Zur zielgerichteten Mittelstandsförderung sollen die Thesaurierungsregelungen für Einzelunternehmen geprüft werden.
  • Mit einer grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung soll die künftige steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneuet ergebnisoffen aufgegriffen und die notwenigen Folgerungen gezogen werden. Dabei soll für den Bereich der Business Angels und Startups nach Lösungen für besondere Belastungseffekte für den Fall gesucht werden, dass sich der Investor von seinem Engagement trennt.

 

Umsatzsteuer

  • Der verminderte Umsatzsteuersatz für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften bleibt erhalten und soll auf Hörbücher ausgedehnt werden. Auf EU-Ebene soll darauf hingewirkt werden, dass auf E-Books, E-Paper und andere elektronische Informationsmedien künftig der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung kommt.
  • Die Umsatzsteuererleichterungen für kulturelle Leistungen und gemeinnützige Einrichtungen sollen beibehalten werden. Es soll geprüft werden, ob entsprechende Erleichterungen für künstlerische Berufe möglich sind.
  • Umsatzsteuerbetrug soll durch einen sog. Schnellreaktionsmechanismus unterbunden werden.
  • Eine umsatzsteuerliche Belastung kommunaler Beistandsleistungen wird abgelehnt. Die interkommunale Zusammenarbeit soll nicht behindert werden.

 

Gewerbesteuer

Auf Basis des geltenden Rechts soll für die kommenden Jahre Planungssicherheit bestehen.

 

Erbschaftsteuer

Zur Vermeidung der Gefährdung der Unternehmensnachfolge soll es eine verfassungsfeste und mittelstandsfreundlich ausgestaltete Erbschaft- und Schenkungsteuer geben, die einen steuerlichen Ausnahmetatbestand bei Erhalt der Arbeitsplätze vorsieht. Die Erbschaftsteuer ermöglich in ihrer jetzigen Ausgestaltung den Generationswechsel in den Unternehmen und schützt Arbeitsplätze Sie bleibt den Ländern als wichtige Einnahmequelle erhalten.

 

Grundsteuer

Die Grundsteuer soll unter Beibehaltung des Hebesatzrechts für Kommunen zeitnah modernisiert werden. Ziel ist es, die Grundsteuer als verlässliche kommunale Einnahmequelle zu erhalten, d.h. das Aufkommen zu sichern und Rechtssicherheit herzustellen.

 

Ansprechpartnerinnen:

Petra Jaretzke, Steuerberaterin, Hannover

Anke Brinkhus LL.M.(Wirtschaftsstrafrecht), Fachanwältin für Steuerrecht, Hannover