Crowdworker sind selbstständig tätig und keine Arbeitnehmer, so das LAG München mit Urteil vom 4. Dezember 2019

Hintergrund

Neue Beschäftigungsformen in der digitalen Wirtschaft gewinnen an Bedeutung. Diese neuen Arbeitsbeziehungen werfen mitunter für Unternehmer die Frage auf, ob eine abhängige und damit versicherungspflichtige Form der Beschäftigung oder eine Selbstständigkeit vorliegt.

Zu den neuen Arbeitsbeziehungen, die das Internet möglich macht, zählt insbesondere auch das sog. „Crowdworking“. Hierbei lagern Unternehmen eine bestimmte Tätigkeit an eine undefinierte Vielzahl von Personen, die sog. „Crowd“, aus. Dies erfolgt auf dem Weg eines offenen Aufrufs über das Internet, in der Regel über Plattformen. Ob Programmieren, Recherchieren, Auswerten – Crowdworking ist in vielen Bereichen der Wertschöpfung eines Unternehmens denkbar. Laut einer Studie des Bundesarbeitsministeriums aus Oktober 2018 sind 10,7 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung in Deutschland als Crowdworking-affin zu bezeichnen; 4,8 Prozent der Bevölkerung sind aktuell als Crowdworker tätig.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) München (Urteil vom 4. Dezember 2019,Az. 8 SA 146/19) hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem jemand darauf geklagt hatte, Angestellter eines Internetplattform-Unternehmens zu sein, welches ihm zuvor mehrfach Jobs vermittelt hatte. Der Kläger kontrollierte unter anderem Warenpräsentationen im Einzelhandel und in Tankstellen. Grundlage des Streits war eine Basisvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten als Plattform-Betreiberin, wonach der Kläger berechtigt ist, die über eine App auf der Internetplattform angebotenen Aufträge, zu übernehmen. Es bestand allerdings zu keinem Zeitpunkt, eine Verpflichtung des Klägers zur Annahme eines Auftrages bzw. eine Verpflichtung für die Beklagte, Aufträge anzubieten.

Das LAG München hat entschieden, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten kein Arbeitsverhältnis besteht. Der Crowdworker sei kein Arbeitnehmer, sondern selbstständig tätig. Nach der gesetzlichen Definition liege ein Arbeitsvertrag nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsehe. Die genannte Basisvereinbarung enthielt aber gerade keine Verpflichtung. Auch dass der Crowdworker im vorliegenden Fall einen Großteil seines Lebensunterhaltes mit diesen Tätigkeiten verdient, führt nach Auffassung des Gerichtes nicht dazu, dass er Schutzrechte wie in regulären Arbeitsverhältnissen beanspruchen könne. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Auffassung des LAG München bestätigen wird. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.

Folgen für die Praxis

Von dem Urteil könnte eine Signalwirkung für die neuen Beschäftigungsformen in der digitalen Wirtschaft und insbesondere für das Crowdworking ausgehen. Denn die meisten Vereinbarungen zwischen Crowdworkern und Plattformen dürften ebenfalls keine gegenseitigen Verpflichtungen beinhalten: Crowdworker bestimmen in der Regel selbst, welche Aufträge sie annehmen möchten und können Aufträge ablehnen. Es dürften daher in der Regel keine Sozialversicherungsabgaben zu entrichten sein. Unternehmen, die den Einsatz von Crowdworking beabsichtigen, sollten allerdings auch weitere Aspekte beachten. Hierzu zählt die Frage, inwieweit der Betriebsrat zu beteiligen ist. Ferner ist eine Überprüfung der Geschäftsbedingungen der Plattformbetreiber ratsam. Zur Vermeidung von Risiken können Zusatzvereinbarungen zum Beispiel mit Blick auf die Themen Datenschutz, Geheimhaltung oder die Einhaltung von Qualitätsstandards geschlossen werden.

Ansprechpartner: Rechtsanwalt Maximilian Oppelt, Hannover