Bundesarbeitsgericht nennt § 32 BDSG „verunglückt“ – Zufallsfund bei verdeckter Videoüberwachung ist gerichtlich verwertbar

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) zeigt sich – jedenfalls manchmal – als Freund klarer Worte. So hatte es in seinem Urteil vom 22.09.2016 – 2 AZR 848/15 u. a. über die Rechtmäßigkeit einer verdeckten Videoüberwachung zu entscheiden, bei der zufällig entdeckt wurde, dass eine Arbeitnehmerin Pfandbons im Wert von 3,25 Euro unzulässigerweise selbst generiert und für sich selbst eingelöst hatte.

Die Videoüberwachung wurde zuvor zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgestimmt und sollte sich gegen zwei in Verdacht geratene Arbeitnehmerinnen richten. Überführt wurde allerdings die bis dahin unverdächtige stellvertretende Filialleiterin. Diese war zur Tatzeit rund 15 Jahre bei dem Arbeitgeber beschäftigt und zuletzt auch als Kassiererin tätig.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Überwachung bzw. des Datenschutzes von Arbeitnehmern sollte der erst vor einigen Jahren geschaffene § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Klarheit schaffen. Darin heißt es unter anderem:

„(…) wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat (…)“.

Die Filialleiterin argumentierte daher, dass hinsichtlich ihrer Person gerade kein Verdacht bestand. Daher dürfe das Videomaterial nicht verwertet werden, es bestehe ein Beweis- und Vortragsverwertungsverbot. Das BAG folgte dem nicht. Es kam vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber in § 32 BDSG inhaltlich nur die bereits von der Rechtsprechung (also dem BAG) entwickelten Grundsätze habe abbilden wollen. Sofern man der Norm aufgrund ihres Wortlautes aber etwas anderes entnehmen könne, sei dies nicht beabsichtigt gewesen. Der Wortlaut sei vielmehr „verunglückt“. Letztlich befand das BAG, dass auch Zufallsfunde im Rahmen einer zulässigen verdeckten Videoüberwachung gerichtlich verwertbar seien. Beweis- oder Vortragsverwertungsverbote bestünden hier nicht.

Die Kündigung war übrigens wirksam. Maßgeblich war für das BAG der herbeigeführte Vertrauensbruch. Dieser wiege bei einer stellvertretenden Filialleiterin und Kassiererin besonders schwer. Insofern könne ihr auch die relativ lange Beschäftigungsdauer und der geringe Schaden nicht helfen.

Das Urteil ist – insbesondere vor dem Hintergrund der berühmt-berüchtigten Emmely-Entscheidung des BAG (Das Urteil finden Sie hier.) und der damit einhergegangen rechtlichen Verunsicherung zu begrüßen. Es scheint wieder zu gelten: Wer klaut, der fliegt.

Für die Praxis bedeutet dieses Urteil, dass auch Zufallsfunde im Rahmen einer zulässigen Videoüberwachung genutzt werden dürfen – auch wenn der Wortlaut des Gesetzes etwas anderes nahelegt. Es zeigt sich einmal mehr, dass ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung erleichtert – man aber stets einen zweiten Blick auf die Rechtsprechung werfen sollte. Diese hat die Voraussetzungen, unter denen eine verdeckte Videoüberwachung zulässig ist, nun weiter konkretisiert. Ob eine solche Maßnahme rechtmäßig ist, kommt auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Diese müssen sorgsam geprüft werden. Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen.

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