Österreich: Brüssel: Hohe Geldbußen und Untersagung von einem Zusammenschluss

In den letzten sechs Monaten kam es auf europäischer Ebene erneut zu interessanten Entscheidungen. Neben einer weiteren Geldbuße gegen Microsoft wurde die bisher höchste Geldbuße für ein Kartell verhängt.

Der wohl medienbekannteste Fall betraf Microsoft. Die Europäische Kommission („Kommission“) hat dem Software-Konzern eine Geldbuße in Höhe von EUR 561 Millionen auferlegt, da er seiner Verpflichtung, Nutzern die Wahl des Webbrowsers über einen Auswahlbildschirm zu ermöglichen, nicht nachgekommen ist. 2009 hatte die Kommission entsprechende Verpflichtungszusagen von Microsoft bis 2014 für rechtsverbindlich erklärt. Nun musste sie feststellen, dass dies bei 15 Millionen Nutzern nicht eingehalten wurde. Der Softwarekonzern hatte zwischen Mai 2011 und Juli 2012 die Softwareaktualisierung Service Pack 1 für Windows 7 ohne den Auswahlbildschirm für die freie Wahl des Web-Browsers ausgeliefert. Insgesamt wurden gegen Microsoft während der letzten neun Jahre über EUR 2,2 Milliarden an Geldbußen von der Kommission verhängt.

In seiner Anfang März gehaltenen Rede nahm EU-Kommissar Joaquin Almunia Bezug auf diesen Fall und betonte, wie wichtig es sei, dass von der Kommission nach Art. 9 der VO 1/2003 aufgesetzte Verpflichtungszusagen zum Zwecke des Schutzes von Konsumenten und eines freien Wettbewerbs befolgt werden müssen und deren Einhaltung weiterhin von der Kommission konsequent überwacht wird. Almunia bekräftigte zudem die Zustimmung zu Verpflichtungszusagen als eine wesentlich effektivere und auf Kooperation gestützte Methode des Wettbewerbsschutzes. Überdies bezog er sich auf die Möglichkeit von Vergleichsverfahren in Kartellverfahren, welche vor fünf Jahren eingeführt wurden, und umwarb dieses Instrument für Unternehmen, um Kartellverfahren schneller zu beenden und somit Geldbußen im Gegenzug um 10 % zu reduzieren.

Kartellverfahren
Neben der Geldbuße gegen Microsoft setzte die Kommission in den letzten Monaten bei Kartellverfahren ein deutliches Zeichen. Sie verhängte Ende 2012 die bisher höchste Geldbuße in Höhe von EUR 1,47 Milliarden gegen TV- und Computer- Hersteller für ein über zehn Jahre andauerndes Kartell. Im Dezember bestätigte der Europäische Gerichtshof („EuGH“) zudem Geldbußen in Höhe von EUR 198 Millionen und EUR 20,71 Millionen, die gegen Heineken NV und Bavaria NV wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell auf dem niederländischen Biermarkt verhängt worden waren.

Im Bananenkartell bestätigte das Gericht die gegenüber Dole verhängte Geldbuße in Höhe von EUR 45,6 Millionen, reduzierte allerdings jene gegenüber Fresh Del Monte Produce, Inc von EUR 14,7 Millionen auf EUR 8,82 Mio.

Der EuGH hat im März weiters seine Entscheidung im Vorabentscheidungsverfahren, Allianz Hungária Biztosító Zrt. u. a. / Gazdasági Versenyhivatal; erlassen. Die Richter urteilten, dass Vereinbarungen zwischen Versicherungsgesellschaften und Kfz-Reparaturwerkstätten über die Preise für die Reparatur versicherter Fahrzeuge einen wettbewerbswidrigen Zweck haben und verboten sind, wenn sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind.

Im Vorabentscheidungsverfahren Schenker wird die Frage behandelt, inwiefern die rechtliche Beratung eines Anwalts einen Kartellverstoß entschuldigen kann. Die Generalanwältin hat in diesem Fall die Schlussvorträge vorgelegt. In diesen schlägt sie vor, den schuldausschließenden Verbotsirrtum im europäischen Kartellrecht anzuerkennen und stellt gleichzeitig Kriterien auf, die ihrer Auffassung nach erfüllt sein müssen, damit nach EU-Kartellrecht ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum besteht. Der EuGH wird nun darüber entscheiden, ob und inwieweit überhaupt ein schuldausschließender Verbotsirrtum dem Grunde nach anerkannt wird.

Ein weiteres Vorabentscheidungsverfahren des EuGH betrifft den Fall Donau Chemie. In diesem wird erörtert, ob nationales Verfahrensrecht die Einsicht für Dritte in Verfahrensakten eines Gerichts von der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten abhängig machen kann. Auch hier hat der Generalanwalt bereits seinen Schlussantrag abgegeben.

Im Februar dieses Jahres hat das Unternehmen Ziegler die Kommission vor dem Gericht auf EUR 1,4 Millionen Schadensersatz verklagt. Die europäischen Behörden sollen für einen Kartellverstoß u.a. durch Verstoß ihrer eigenen Sorgfaltspflicht mitverantwortlich sein. In diesem Zusammenhang wurde gegen Ziegler im Jahr 2008 eine Geldbuße in Höhe von EUR 9,2 Millionen verhängt.

Zusammenschlussverfahren
Bei den Zusammenschlussverfahren sind vor allem zwei interessante Transaktionen zu erwähnen: Anfang März genehmigte die Kommission die geplante Übernahme der auf dem Gebiet der Exploration und Förderung von Rohöl und Erdgas agierenden TNK-BP durch die russische Ölförderungsgesellschaft OJSC Rosneft im Wert von ca. EUR 42 Milliarden. Kurz davor wurde allerdings die geplante Übernahme von TNT Express durch UPS untersagt.

Weiters hat der EuGH kürzlich auch die Bedeutung des Durchführungsverbots von Zusammenschlüssen unterstrichen, indem er eine Geldbuße in Höhe von EUR 20 Millionen bestätigte, die gegen das belgische Unternehmen Electrabel wegen des Vollzugs eines Zusammenschlusses vor dessen Anmeldung von der Kommission verhängt worden war.

Ende November 2012 wies der EuGH allerdings den Antrag von Odile Jacob zurück, das Urteil des Gerichts, mit dem der Erwerb von Vivendi Universal Publishing durch Lagardère für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wurde, für nichtig zu erklären.

Verfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung
Die Kommission hatte im Jahr 2005 gegen AstraZeneca wegen zwei Missbrauchstatbeständen eine Geldbuße in Höhe von EUR 60 Millionen verhängt. Sie begründete dies damit, das Unternehmen habe seine beherrschende Stellung durch das Verhindern des Inverkehrbringens von „Losec“, – einem Magengeschwür-Arzneimittel – nachgebildeten Generika, missbraucht. AstraZeneca hatte gegen diese Feststellung beim Gericht Rechtsmittel eingebracht. Der EuGH wies diese jedoch zurück.

Hausdurchsuchungen
Wie wichtig bei Hausdurchsuchungen eine konforme Verhaltensweise ist, hat nun auch der EuGH bekräftigt. Dieser bestätigte die gegen die E.ON Energie AG verhängte Geldbuße in Höhe von EUR 38 Millionen, da diese bei einer Hausdurchsuchung durch die Kommission Siegelbruchs begangen hatte.

Grünbuch zu unlauteren Handelspraktiken auf b2b- Ebene
Die Kommission hat Anfang des Jahres ein Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nichtlebensmittel in Europa veröffentlicht und zur Konsultation freigegeben1. Ziel des Grünbuchs ist, eine Absprache der Interessengruppen zu starten und mögliche nächste Schritte zur Lösung des Problems von unlauteren Geschäftspraktiken in Business-to-Business-Beziehungen entlang der Lieferkette des Einzelhandels genauer zu identifizieren.

Autorin:
Christina Hummer (Brüssel, Wien)