Österreich: Arbeitskräfteüberlassung – Neue Regeln für Beschäftiger

Januar 2013 ist in Österreich die Novelle zum Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) in Kraft getreten. Sie setzt die Leiharbeitsrichtlinie 2008 (RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) in nationales Recht um. Ziel der Novelle ist es, die Gleichbehandlung von überlassenen Arbeitskräften und Stammarbeitnehmern des Beschäftigerbetriebes zu stärken und die Arbeitsbedingungen für überlassene Arbeitskräfte zu verbessern. Die Novelle bringt neue Regeln und Pflichten sowohl für Beschäftiger als auch Überlasser. Nachfolgend die wesentlichen Neuerungen für Beschäftiger im Überblick:

Informations- und Meldepflicht (§ 5 Abs. 1 AÜG Neu)

Der Beschäftiger ist nun verpflichtet, den Überlasser über die Leistung von Nachtschwerarbeit und Schwerarbeit zu informieren. Diese Information ermöglicht es dem Überlasser, seinen Meldepflichten gegenüber der Sozialversicherung nachzukommen.

Gleichbehandlungspflicht und Diskriminierungsverbote (§ 6a AÜG Neu)
In Bezug auf Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote gilt nun auch der Beschäftiger als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskräfte. Als solcher ist der Beschäftiger verpflichtet, sämtliche Vorschriften über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen und Diskriminierung gegenüber vergleichbaren Stammarbeitnehmern und überlassenen Arbeitskräften zu beachten. Dies gilt beispielsweise bei der Auswahl der Arbeitskräfte, der Beendigung der Überlassung oder der Ausgestaltung der sonstigen Arbeitsbedingungen. Führt eine Diskriminierung zur Beendigung der Überlassung, kann die überlassene Arbeitskraft die erfolgte Beendigung oder Nichtverlängerung ihres Arbeitsverhältnisses anfechten und Schadenersatz fordern. Eine Diskriminierung durch den Beschäftiger, die zur Beendigung oder einer Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses der überlassenen Arbeitskraft führt, wird nun dem Überlasser zugerechnet. Dem Überlasser stehen Regress- bzw. Ersatzansprüche für Aufwendungen im Zusammenhang mit erforderlicher Abhilfe oder Beendigung der Überlassung wegen Diskriminierung gegen den Beschäftiger zu.

Gleichbehandlung beim Entgelt (§ 10 Abs. 1 AÜG Neu)
Für Fälle, in denen der Überlasser einem Kollektivvertrag unterliegt und im Beschäftigerbetrieb eine kollektivvertragliche, durch Verordnung festgelegte oder gesetzliche Entgeltregelung gilt, ergeben sich durch die Novelle keine Änderungen zur bisherigen Rechtslage. Darüber hinaus sind die im Beschäftigerbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden „sonstigen verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art“ zu beachten. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, lassen die Gesetzesmaterialen offen. Dazu werden wohl Betriebsvereinbarungen oder betriebliche Übungen zählen.

Ab 01.01.2014 – Einbeziehung in Betriebspension (§ 10 Abs. 1a AÜG Neu)
Überlassene Arbeitskräfte sind ab 1. Januar 2014 in eine allfällige Betriebspension im Sinne des Betriebspensionsgesetzes (Pensionskasse oder betriebliche Kollektivversicherung samt Alters- und Hinterbliebenenversorgung) des Beschäftigers einzubeziehen, wenn die Überlassung zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre gedauert hat. Die entsprechenden Beiträge sind vom Beschäftiger an dessen Pensionskasse bzw. Versicherung zu leisten.

Arbeitszeit und Urlaub (§ 10 Abs. 3 AÜG Neu)
Bisher galten für überlassene Arbeitskräfte nur die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften laut Gesetz und Kollektivvertrag. Nach AÜG Neu sind zusätzlich auch die sonstigen im Beschäftigerbetrieb geltenden verbindlichen Bestimmungen allgemeiner Art bzgl. Arbeitszeit und Urlaub anzuwenden. Künftig gelten daher für überlassene Arbeitskräfte auch Betriebsvereinbarungen über Betriebsurlaub oder Mehrarbeit, etc.

Zugang zu Wohlfahrtseinrichtungen (§ 10 Abs. 6 AÜG Neu)
Das AÜG Neu verpflichtet Beschäftiger, den überlassenen Arbeitskräften wie seinen Stammarbeiternehmern Zugang zu den Wohlfahrtseinrichtungen und -maßnahmen (insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel) in seinem Betrieb zu gewähren, sofern eine unterschiedliche Behandlung nicht sachlich gerechtfertigt ist.

Grenzüberschreitende Überlassung (§ 10a AÜG Neu)
Bisher hatten überlassene Arbeitskräfte bei grenzüberschreitender Überlassung für die Dauer der Überlassung nur Anspruch auf bezahlten Urlaub nach § 2 Urlaubsgesetz. Im Sinne eines so genannten Günstigkeitsvergleichs, also dann, wenn die österreichischen Bestimmungen günstiger sind als jene des Heimatstaates der überlassenen Arbeitskraft, hat die überlassene Arbeitskraft nunmehr auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unfall. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung und sind die für vergleichbare Arbeitnehmer gültigen Kündigungsfristen und -termine sowie die besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutznormen zu beachten. Die für gewerblich überlassene Arbeitskräfte in Österreich geltenden Kollektivverträge sind auch auf die aus dem Ausland überlassenen Arbeitskräfte anzuwenden.

Weitere Pflichten des Beschäftigers

  • Informationspflicht über offene Stellen (§ 12 Abs. 4 AÜG Neu): Ergänzend zu der bestehenden Informationspflicht gegenüber befristeten Arbeitnehmern über offene unbefristete Arbeitsstellen (§ 2b AVRAG) hat der Beschäftiger nach dieser Neureglung die Pflicht, überlassene Arbeitskräfte über offene Stellen in seinem Betrieb zu informieren. Dies hat durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, für die überlassene Arbeitskraft zugänglicher Stelle im Betrieb zu erfolgen.

  • Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (§ 12 Abs. 5 AÜG Neu): Beschäftiger und Überlasser sind verpflichtet, den Zugang von überlassenen Arbeitskräften zu Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in ihren Betrieben in geeigneter Weise zu fördern, um deren berufliche Entwicklung und Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen.

  • Informationspflicht an den Überlasser (§ 12a AÜG Neu): Vor Beginn der Überlassung hat der Beschäftiger den Überlasser über die für die Überlassung wesentlichen Umstände zu informieren. Dazu zählen insbesondere Informationen über die benötigte Qualifikation der überlassenen Arbeitskraft und die damit verbundene kollektivvertragliche Einstufung in den für den Beschäftigerbetrieb anzuwendenden Kollektivvertrag sowie die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bzw. Entgeltbestimmungen.


Autorin:
Bettina Poglies-Schneiderbauer (Linz)