BMF veröffentlicht ersten Entwurf zum neuen Erbschaftsteuergesetz

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Dezember 2014 die Regelungen über die Begünstigung von Betriebsvermögen im ErbStG (§§ 13a und 13b i.V.m. § 19a Abs. 1 ErbStG) und damit die Erhebung der derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuer insgesamt für verfassungswidrig erklärt hat, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) nun den „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ vorgelegt.

Bisherige Regelungen

Unternehmensvermögen kann bisher unabhängig vom Gesamtwert entweder zu 85% (Regelverschonung) oder zu 100% (Optionsverschonung) von der Steuer befreit werden. Voraussetzung für diese Begünstigung ist, dass

  • der Erwerber das Unternehmen fortführt (fünf bzw. sieben Jahre bei Regel bzw. Optionsverschonung),
  • die Arbeitsplätze gemessen anhand der Lohnsummen (400 % bzw. 700 % bei Regel – bzw. Optionsverschonung) erhalten bleiben und
  • das Verwaltungsvermögen im Unternehmen einen Anteil von 50 % bzw. 10 % (bei Regel – bzw. Optionsverschonung) nicht übersteigt.

Der Gesetzesentwurf will die vom BVerfG gerügten Mängel insbesondere durch

  • eine klarere Unterscheidung in begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen,
  • die Nichtanwendung der Lohnsummenregelung für Kleinstbetriebe,
  • eine neue Verschonungsbedarfsprüfung bei Erwerb „großer“ Unternehmensvermögen sowie durch
  • ein „Abschmelzmodell“ bei dem Erwerb großer Unternehmensvermögen

Begünstigtes Vermögen

Künftig soll nur noch das Vermögen begünstigungsfähig sein, dessen Hauptzweck überwiegend einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Nicht dem Hauptzweck dienen Vermögensteile, die, ohne die eigentliche betriebliche Tätigkeit zu beeinträchtigen, aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden können. Durch die Anknüpfung an den Hauptzweck sollen offensichtlich das verschonungswürdige vom nicht verschonungswürdigen Vermögen unterschieden und missbräuchliche Gestaltungen wie z.B. die „Cash-GmbH“ ausgeschlossen werden.

Der schon bisher erforderliche Finanzmitteltest, nach dem der Anteil der Summe aus liquiden Mitteln und Forderungen abzüglich der Schulden eine bestimmte Quote des Betriebsvermögens nicht übersteigen darf, bleibt erhalten. Verbindlichkeiten, die nach dem Test verbleiben, werden jedoch anteilig auf das begünstigte und das nicht begünstigte Vermögen aufgeteilt. Der Gesetzentwurf räumt ein, dass eine Kapitalstärkung von Betrieben auch nicht begünstigtes Vermögen erfordert, und stuft nicht begünstigtes Vermögen in Höhe von 10% des begünstigten Nettovermögens als unschädlich ein.

Lohnsummenregelung

Die Mindestanzahl der Arbeitnehmer, ab der die Betriebe die Lohnsummenregelung einhalten müssen, wird in dem Gesetzesentwurf von zwanzig auf drei Arbeitnehmer vermindert. Die Lohnsummenregelung besagt, dass die jährliche Lohnsumme innerhalb von fünf bzw. sieben Jahren nach dem Erwerb 400 % bzw. 700 % der Ausgangslohnsumme (Mindestlohnsumme) nicht unterschreiten darf.

Bei Betrieben mit vier bis zehn Arbeitnehmern wird die Mindestlohnsumme bei fünf Jahren auf 250 % bzw. bei sieben Jahren auf 500 % gesenkt. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Betriebe dieser Größenordnung eher schwankende Beschäftigungszahlen haben.

Um missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, bei denen Betriebe aufgespalten und schrittweise übertragen werden, um die Lohnsummenregelung zu umgehen, müssen künftig die Beschäftigtenzahl und Lohnsummen der einzelnen Betriebe zusammengerechnet werden.

Verschonungsbedarfsprüfung

Der Gesetzesentwurf führt einen neuen Schwellenwert ein. Demnach greifen die Verschonungsregelungen nur beim Übergang von begünstigtem Betriebsvermögen, dessen Wert insgesamt EUR 20 Mio. (Schwellenwert) - bzw. in bestimmten Fällen EUR 40 Mio. - nicht übersteigt. Geht Vermögen über, welches grundsätzlich begünstigt ist und dessen Wert insgesamt EUR 20 Mio. übersteigt, wird - auf Antrag des Steuerpflichtigen - eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt. An die Stelle des Betrags von EUR 20 Mio. tritt der Betrag von EUR 40 Mio., wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung Regelungen über weitgehende Entnahmebeschränkungen, über Beschränkung der Anteilsübertragung nur auf Angehörige und über Beschränkung der Abfindungshöhe bei Ausscheiden enthält.

Keine Verschonung wird gewährt, wenn der Erwerber ausreichend „verfügbares Vermögen“ besitzt, um die auf das erworbene Betriebsvermögen entfallende Steuer zu begleichen. Zu dem „verfügbaren Vermögen“ gehören 50 % des übertragenen, nicht begünstigten Betriebsvermögens zzgl. 50 % des dem Erwerber bereits gehörenden, nicht begünstigten Betriebsvermögens (Privatvermögen).

Reicht das „verfügbare Vermögen“ hingegen nicht aus, wird dem Erwerber die auf das Betriebsvermögen entfallende Steuer unter der auflösenden Bedingung erlassen, dass er während einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren die Mindestlohnsumme von 700 % nicht unterschreitet und nicht gegen die Behaltensfrist von sieben Jahren verstößt. Wird die Mindestlohnsumme unterschritten, vermindert sich der Steuererlass mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

Abschmelzmodell

Anstatt des Antrags auf Verschonungsbedarfsprüfung kann der Erwerber bei Überschreiten des Schwellenwerts unwiderruflich einen Antrag auf Gewährung eines Verschonungsabschlags stellen. In einem Korridor von EUR 20 Mio. bis 110 Mio. begünstigtem Betriebsvermögen schmilzt der Verschonungsabschlag um einen Prozentpunkt je EUR 1,5 Mio., die der Erwerb des begünstigten Betriebsvermögens über der Grenze des Schwellenwerts von EUR 20 Mio. liegt. Ab EUR 110 Mio. begünstigten Betriebsvermögens gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 25 % bei der Regelverschonung und im Fall der Optionsverschonung von 40 %. Doch auch in diesem Fall darf der Erwerber nicht gegen die Lohnsummenregelungen und die Behaltensfrist verstoßen.

Inkrafttreten

Die Neuregelung soll für alle Erwerbe Anwendung finden, für die die Steuer nach dem Zeitpunkt entsteht, in dem das Änderungsgesetz anzuwenden ist (Tag der Verkündung).

Erstes Fazit

Die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts wird sich mit diesem Änderungsgesetz weiter erhöhen. Dass die neue Definition von begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen praktikabler ist als die bisherige Definition von Betriebsvermögen und Verwaltungsvermögen, darf bezweifelt werden.

Der geringe Schwellenwert von EUR 20 Mio. für die Steuerbefreiung wurde bereits im Vorfeld heftig diskutiert und bietet ebenso wie der Rückgriff auf das Privatvermögen des Erwerbers zur Begleichung der Steuerverbindlichkeit weiterhin Anlass zur Kritik.

Positiv anzumerken ist allerdings, dass der Gesetzesentwurf keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG vorsieht, sodass eine Vermögens- und Unternehmnachfolge noch nach dem derzeit geltenden Recht gestaltet werden kann. Hierzu bleibt jedoch nur noch wenig Zeit!

 

Ansprechpartner:

Steuerberaterin Petra Jaretzke, Hannover

Rechtsanwältin Siegrid Lustig, Hannover

Rechtsanwältin Dr. Manuela Hörstmann-Jungemann, Osnabrück